Humor

 

Frühstück bei Schmoll + Co
 

  Normalerweise frühstücke ich, wie es das Wort schon sagt, in aller Frühe. Aber manchmal muss auch ich mich dem neumodischen Verhaltenskodex unterordnen und mit Freunden zum späten Frühstück, dem sog. Brunch gehen. Samstags war's also soweit, wir fuhren nach Heidelberg, da man dort, wie uns mehrfach versichert wurde, der einzige Ort wäre, an dem man "richtig" brunchen könne. Wir hatten uns in weiser Voraussicht schon einen Tisch in einem Lokal reserviert, dass mit ca. 20 verschieden zusammengestellten Frühstücks-Menüs aufwartet. Hoffnungsfroh auf einen entspannten Vormittag unter Freunden mit lukullischen Genüssen versüsst nahmen wir im Wintergarten Platz. Die Massen um uns herum bestätigten wiedermal, dass der Mensch ein Herdentier ist und sich wohl nur unter Seinesgleichen in grosser Anzahl am wohlsten fühlt. Nachdem wir die wirklich umfangreiche Breakfast-Karte studiert hatten und endlich zu einer Wahl gelangten, bestellten wir vier verschiedene Variationen zusätzlich noch Sekt und ein Wasser.

  Nach ca. 30 Minuten wurde uns dann unser Kaffee/Espresso offeriert, zusammen mit einem Korb Brot. Weitere 35 Minuten verstrichen, der Kaffee/Espresso wurde immer kälter (den wollten wir ja ZUM Breakfast trinken) ohne dass vom eigentlichen Frühstück nur ein Hauch in Sicht kam. Als die nette, junge Bedienung nach endlos langer Zeit mal wieder bei uns vorbeikam, wagte sich mein Nebensitzer, sie zu fragen, ob die Speisen, die zum Kaffee gereicht werden sollten, irgendwo in den Gefilden jenseits der Küchentür verloren gegangen wären. Mit augenrollendem Blick, Schmollmund und weinerlicher Stimme wurde uns dann
mitgeteilt: (o-Ton) "Sie sehen doch, was hier los ist. Iiiiich kann nichts dafür und ausserdem ist der Backofen kaputt." Und damit entschwand sie wieder unserem Blickfeld.

  Ratlos blieben wir zurück, uns fragend, welcher Teil unseres Frühstücks denn im Backofen zubereitet wird, was rechtfertigen würde, dass wir seit geraumen 65 Minuten, die seit unserer Bestellung vergangen waren, immer noch auf etwas Essbares warten müssten. Als dann tatsächlich, ob unserer Nachfrage, nach weiteren 15 Minuten drei der Teller vor uns abgestellt wurden waren wir schon beinahe euphorisch. Mein Frühstück (orientalisch, mit Couscous-Salat und Sesam-Honig-Frischkäse -alles kalte Speisen-) liess dann noch mal 10 Minuten ins Land gehen. So, nun hätten wir ja eigentlich glücklich mit unserem Brunch beginnen können, wäre da nicht noch die Sektfrage gewesen. Bei uns ist es üblich, wenn vier Leute am Tisch sitzen und Sekt bestellen, dass man zusammen anstösst und mit der Mahlzeit beginnt. Diese odenwälder Eigenart muss in Heidelberg absolut unbekannt sein, denn der Sekt wollte einfach nicht zu uns an den Tisch kommen.

  Irgendwann wollte ich mich wenigstens körperlich erleichtern (wäre schön, wenn es für die psychische Erleichterung auch ein kleines Räumchen gäbe, wo man seinen Ballast ebenso einfach ablassen kann!) und auf dem Rückweg vom Lokus sprach ich die nette, augenrollende, hysterisch den mundwinkel-verziehende Serviererin an, ob sie unseren Sekt jetzt als Trotzreaktion ihrerseits in den Orkus geschüttet habe? Mit einem verkniffenen aber auch verzweifelt den Raum  nach einer Fluchtmöglichkeit absuchendem Blick gab sie mir zu verstehen, dass SIE nichts dafür könne, ich sähe doch was hier los sei. Schulterzuckend nahm ich wieder Platz und widmete mich meinem Essen.

  Als wir alle fertig waren, wurden doch tatsächlich mit zitternder Hand noch zwei der drei Sektgläser auf den Tisch gestellt. Ein gehetzter Blick der Bedienung lies uns mitleidig nach der Rechnung verlangen, damit die gute Seele endlich von vier - ihr Leben zum Vorhof der Hölle machenden - Gästen des Etablissement befreit würde.

Das dritte Sektglas, den zweiten Kaffee der nie kam, haben wir natürlich nicht bezahlt.

Und die Moral von der Geschicht: bestell bloss bei DER Bedienung nicht!!

Gruß
Manuela

Quelle: Usenet

 

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