Humor

 

Der Käsezerhacker
  

Wie man einen Camenbert vor Vandalen schützt
  

  Es gibt eigentlich nur zwei Sorten Menschen; manierliche und Käsezerhacker. Beachten sie bitte genau, wen sie künftig zum Essen einladen, die Kollateralschäden könnten gewaltig sein. Legen sie einem Käsezerhacker nie einen ganzen Camenbert oder ein grosses Stück Blauschimmelkäse vor die Nase. Sagen sie um Gottes Willen niemals: "Bitte, bedienen sie sich." Käsezerhacker können nur eines: Schönen Käse zerhacken. Hinterher sieht ihre Tafel wie das Kinderzimmer ihres Sohnes aus. Ihr Camenbert: Eine zermetzelte Ruine, ihr Blauschimmelkäse: Ein Trümmerfeld. Und der Käsezerhacker sitzt dumpf daneben und grinst.
  

Der Hieb trifft den Camenbert in die Flanke
  

  Käsezerhacker merken nichts, selbst wenn das gequälte Milchprodukt panisch losbrüllt. Natürlich fängt jeder Käse sofort an zu schreien, sobald der Käsezerhacker das Messer schwingt. Aber er ignoriert diese Hilferufe - sein Hieb trifft den Camenbert tangential in die Flanke. Noch ein zweiter Schlag und die erste Portion ist abgesäbelt. Und jetzt sehen sie sich ihren Camenbert an. Diese Verstümmelung, diese hässliche Wunde. Die perfekte Geometrie des Kreises: Dahin! Kein anderer am Tisch wird diesen Käse jemals wieder in Form bringen.

  Da werden keine Schnittchen behutsam herausoperiert. Da wird nicht auf den Kreismittelpunkt gezielt und dann mit einem zweiten Schnitt liebevoll Tortenachtel herausgemessert. Da wird brutal zugestochen. Der endgültige Käsegau ist das Kappen der Spitze. Sie stellen ein Stück behutsam gereiften Brie de Meaux auf den Tisch, und der Käsezerhacker stürzt sich sofort auf die Spitze. Er hackt sie ab, spiesst sie ganz selbstverständlich auf seine Messerspitze und steckt sie provozierend in den Mund. Spätestens in diesem Augenblick sollten sie die Käseplatte ruckartig vom Tisch ziehen. Werden sie ausfallend, gemein, obszön. Wählen sie die Nummer von Kofi Annan, schreien sie, stürzen sie den Käsezerhacker aus dem Fenster! Blicken sie anschliessend in die Runde, und fragen sie ganz cool, ob noch irgendjemand an diesem gottverdammten Tisch Lust hat, von ihrem Brie die Spitze abzuschlagen. Es wird sich niemand melden.

  Gehen sie dann in die Küche, und schneiden sie von dem blutenden Restbrie elegante Streifen ab. Halbieren sie den schwer verletzten Camenbert, und schneiden sie aus der noch intakten Hälfte schöne kleine Tortenachtel. Reden sie mit dem Camenbert. Sagen sie ihm, dass es ihnen Leid tut, versprechen sie, dass sie solche Barbarei nie wieder dulden werde.

  Und denken sie daran: Der Käsezerhacker ist nicht therapierbar. Sie können ihm stundenlang erzählen, dass ein Käse je nach Sorte von innen nach aussen oder von aussen nach innen reift und deshalb niemals tangential geschnitten werden darf. Sie können ihm die Zunahme der Intensität des blauen Schimmel im Herzen eines Roqueforts zeigen und die Abnahme zu den Rändern hin. Sie können ihm die perfekte Form eines Tortenachtel oder -zwöftels am Beispiel einer aufgeteilten Schwarzwälder Kirschtorte demonstrieren. Vergeblich. Käsezerhacker sind geometrische Nihilisten. Sie lieben die Ästhetik des Schlachtfeldes.

  Ausserdem: Käsezerhacker tragen gern weisse Söckchen in Sandalen, sie haben einen Kampfhund und lesen heimlich "Perry Rhodan". Wollen sie mit solchen Menschen tafeln? Überlegen sie sich das nochmal in aller Ruhe.

 

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