Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. November 2020)
 
Mittagsschlaf im Land des Lächelns
 

Dinge der Woche: Die Supermacht jenseits des Atlantiks hat einen neuen Chef. Da geht es künftig etwas ruhiger zu - aber vorher ist noch mal richtig Party.

   Die "Magic Walls", die magischen Wände der US-Sender, sind erkaltet. Tagelang hatten Männer im Anzug und mit Frisuren, für die das Wort makellos nicht hinreicht, vor dieser digitalen Kulisse ein klassisches Nachrichtenballett aufgeführt. Sie hatten mit energischen Handbewegungen Sieg und Niederlage verteilt und am Ende den Kessel von Pennsylvania abgeriegelt. Irgendwann schwankten die Moderatoren wie Pappeln im Wind, zeigten schief sitzende Krawattenknoten und Augenringe, die sich nicht mehr überschminken liessen. Sie wurden durch frisch gereinigte Reservisten ersetzt, von denen die News-Sender offenbar Zehntausende bereithielten. Wie viele es wirklich sind, wird man erst nach einer Neuauszählung wissen.



   Die Grossmacht jenseits des Atlantiks soll nun einen neuen Führer haben - einen freundlich lächelnden alten weissen Mann, den man in einem Restaurant ohne Scheu nach dem Weg zur Toilette fragen würde. Doch die Wunden sind noch offen. Gegen die Schlacht um das Weisse Haus war das Finale des Super Bowl nicht mehr als der Weihnachtsbastelabend einer Grundschulklasse.

   Auch hierzulande sassen Familien in den frühen Morgenstunden frösteln vor dem TV-Gerät und fühlten den Puls der roten und blauen Wahlbezirke. Jugendliche stolperten nach der Schule durch die Tür, stierten auf ihre Smartphones und murmelten Sätze vor sich hin wie "Georgia kippt" oder "Game over in Pennsylvania". Ballots und Small Margins, offenbar Wesen aus einer Fantasy-Welt, kämpften gegen das dunkle Xenophobia und seinen Dämonischen Herrscher Fraud. Die Schlachten von Maricopa, Fulton und Allegheny dürften in die Geschichte eingehen.

   Doch die finale Entscheidungsschlacht steht noch aus. Der Amtsinhaber hat sich an seinem Schreibtisch festgekettet und wartet auf die Entsatzarmee unter dem Kommando von Robert E. Lee. Der Versuch eines Getreuen, den Atomkoffer in einem unbeobachteten Augenblick mit einem Fusstritt aus der Reichweite des Präsidenten zu bringen, scheiterte. Der Verräter wurde solange Haarfärbemittel eingeflösst, bis er seine demokratischen Überzeugungen erbrach. Ob der Supreme Court einen begrenzten Atomschlag gegen Georgia oder Arizona billigt, ist derzeit noch offen.



   Der von den Medien als Wahlsieger Ausgerufene lächelt all dies debil weg und betont, er könne das Land auch von seiner Doppelgarage ausführen. Dort herrsche ein Klima der Toleranz und Fürsorge. Aus Rücksicht auf die Physis des künftigen Präsidenten ist spätestens um 18 Uhr Feierabend. Während dessen bereits im Hintergrund hochrangige demokratische Politiker im Sinne der Versöhnung bundesweit Umerziehungslager für die störrischen republikanischen Wahlhelfer einrichten lassen. Die ersten Namenslisten auf verschiedenen Servern der USA wurden für die unzähligen demokratischen Denunzianten freigeschaltet.

   Für die nächsten Klimakonferenzen gilt dann ein obligatorischer Mittagsschlaf. An Auslandsreisen sei wegen der Gebrechlichkeit des Presidentenanwärter zunächst nicht gedacht, hiess es. Dafür seien aus dem Etat des Verteidigungsministeriums drei Millionen Burger mit doppelt Käse, Speck und BBQ-Sosse, 20 Millionen Liter Dünnbier und viele Tausend demokratische Tabledance-Aktivistinnen beschafft worden. Ob der neue Präsident diese Party durchhalte, sei aber offen. Falls nicht, könnte aus dem Fundus der Nachrichtenketten ein anderer älterer weisser Mann seinen Platz einnehmen. Amerika ist gross.
 

 

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