Dinge der Woche: Frisch aus dem Krisengebiet
zurückgekehrt, wird mehr oder weniger berichtet live vom Abenteuerurlaub
in der südfranzösischen Provinz.
Jetzt,
da alles noch mal gut gegangen ist, kann ich es ja verraten.
Ich war in einem Krisengebiet. Nicht journalistisches Sendungsbewusstsein
hatte mich dorthin verschlagen. Die pure Lust am Vergnügen war
es. Andere sagen dazu auch Urlaub.
Zu
meiner Entschuldigung will ich vorbringen, dass das Krisengebiet
noch keines war, als wir uns auf den Weg gemacht haben. Auch
bei der Auskunft deutet nichts auf eine Bedrohung hin. Die Grillen
zirpen, der Himmel ist azurblau, also alles wie immer, ausser
dass der Campingplatz in der hübschen südfranzösischen Pampa
zu dieser späten Jahreszeit noch leerer war wie sonst üblich.

Während
man auf der Holzveranda vor seinem gemütlichen Plastikwohncontainer
sitzend, sich bei einem Fläschchen Côtes du Rhône so sicher
und geborgen fühlt wie hinterm Lenkrad eines SUV, blinkt
nach einer Woche ein Warnhinweis des Auswärtigen Amtes auf dem
Handy auf. Natürlich lässt so eine Nachricht die Campingplatzinsassen
erschreckt aufhorchen. Fortan wird nicht mehr in gebotenem Abstand
über Wetter und Corona parliert, sondern nur noch über Corona.
Ausserdem
wären wir Deutschen keine Dichter und Denker, hätten wir im
spätsommerlichen Süden nicht bereits den Winter im Blick. Jemand
erzählt von neuartigen Öko-Heizpilzen, die von unten her wärmen
und die Gastronomen durch den Winter bringen sollen. Mein Einwurf,
das könne zu einer Fusspilzpandemie führen, wurde überhört.
Ansonsten
verlaufen die zweieinhalb Wochen Abenteuerurlaub im Krisengebiet
recht unspektakulär. Das Flüsschen Cèze fliesst träge dahin,
als sei nichts geschehen. Bei den wenigen Abstechern in bewohntes
Gebiet trägt man solche Schutzmasken. Nur einmal, auf einer
Radtour, wird es eng, als vor mir ein Pedaleur einschert und
meint, seine Nasenlöcher freiblasen zu müssen. Aerosolwolken
sind im mediterranen Abendlicht recht hübsch anzusehen. Dennoch
halte ich die Luft an und ducke mich weg. In so einem Moment
bedauert man, dass man nicht über ein handfestes handelsübliches
Schimpfwörterrepertoire verfügt.
Dann,
auf der Heimfahrt, eine kurze Einkehr auf einen zum Corona-Testzentrum
umfunktionierten Rastplatz. Krankenkarte gezückt, Mund weit
auf, Wattestäbchen tief rein. Bis das Ergebnis in ein bis zwei
Tagen vorliege, sollten wir uns in Quarantäne begeben, sagt
freundlich ein zur Unerkenntnis markierter junger Mann, der
eine Bundeswehruniform unter dem weissen Ärztekittel trägt.
Er wünscht gute Weiterfahrt.

Wenn
ich bisher von unserem Urlaub erzählt habe, stiess am meisten
der Ablauf beim Testzentrum auf Interesse. Die Detailversessenheit
mancher Freunde und Kollegen weckt in mir den Verdacht, dass
sie beabsichtigen, das Ganze daheim nachzuspielen.
Die
Prozedur auf dem Rastplatz dauerte übrigens kaum länger als
ein Boxenstopp in der Formel Eins. Vielleicht war das der Grund,
dass ich auf den restlichen Kilometern an Corinna denken musste.
Sie wissen schon, die erfolgreiche Reiterin und Ehefrau von
Schumi. Boxenstopp, Corona, Corinna. Mir fällt dazu nichts ein,
aber ich bin mir sicher, dass ein versierter Verschwörungstheoretiker
daraus Honig saugen kann.
|