Dinge der Woche: Die Deutschen werden unter
dem Diktat der Maske unversehens zu freundlichen Mitmenschen.
Dieser Kulturbruch kann unabsehbare Folgen haben.
Deutschland
war noch nie ein Land des Lächelns. Wer lächelte, galt als unterwürfig,
scheinheilig oder bestensfalls geistig verwirrt. Der Deutsche
ging von einem schnarrenden, granitharten Imperativ meist ohne
Umwege in ein polterndes Lachen auf Kosten Dritter über. Wenn
ausgelacht war, glich das Terrain einer Mondlandschaft. Lächelnde
Deutsche sind in der kulturellen Ikonografie meistens diabolische
Gewaltmenschen oder heillose Träumer. Insofern kommt die Corona-Krise
mit der Maskenpflicht dem deutschen Wesen entgegen. Die Maske
verhindert sinnloses und falsche Erwartungen erweckendes Lächeln
und fungiert als ideologiefreie Gleichmacherei.

Diese
Woche allerdings sah man doch immer wieder Menschen, die heimlich
einfach drauflos lächelten. Experten vermuten eine Reaktion
auf die erzwungene Enthaltsamkeit im sozialen Miteinander. In
den ersten Konzerten und Theateraufführungen sass man zu fünft
auf 2000 Quadratmeter Besucherraum und vermisste das vertraute
Rascheln des Bonbonpapiers, den krächzenden Husten des Nebenmanns
in genau jenem Moment, wenn sich ein kleiner Theaterskandal
entfaltet oder ein glockenklarer Sopran vom Verlust der Liebe
erzählt. Und bei den neuen Corona-Brettspielen musste man zwischen
Badstrasse und Schlossallee hin und herlaufen oder den Spielstein
mit einer Drohne absetzen.
Die Maske
aber wird dem Menschen immer näher - fast wie ein alter Freund,
Kühlschrank oder Gebrauchtwagen. Schon jetzt berichten Lebende
von dem schönen Gefühl, einen Mund-Nasenschutz zu küssen. Er
habe sich als einfühlsam und zungenfertig entpuppt und noch
Monate später Geschenke vorbeigebracht, die genau den Geschmack
trafen.
Kulturhistoriker sehen diese
Banalisierung der Maske mit grosser Sorge und befürchten den
Verlust der deutschen Identität. Noch nie in der Geschichte
des Landes habe der Deutsche viel Wert auf seine Mitmenschen
gelegt, es sei denn, er musste sie zur Ordnung rufen.

Die
Politik allerdings will Corona nutzen, um die Deutschen zum
Miteinander zu zwingen. Zwar sei die menschliche Nähe manchmal
unerträglich, es stinke dort, es sei laut und vulgär; dennoch
müsse jetzt auf Teufel komm raus aneinandergerückt werden. Laut
Wirtschaftsminister Altmaier reichen zwei Teller Fetticcine
Alfredo täglich aus, um mittels leiblicher Expansion den Zwischenraum
zum Nächsten auszufüllen. Auch die AfD will die Volksgemeinschaft
stärken. Auf Schottergärten habe der Virus keine Überlebenschance
und über den Drahtzaun hinweg könne man sich mit dem Nachbarn
unterhalten - sofern er deutlich spricht. Freie-Wähler-Chef
Aiwanger wusste auf Anfrage nicht genau, worum es geht, betonte
aber, der Abstand zwischen zwei Gläsern Bier müsse kleiner werden.
"Und wer lächelnd in eine Schweinshaxe beisst, muss halt
sein Maul aufmachen."
Derweil
sickerte aus Berlin durch: Wer nachweislich unter der Maske
lächelt, müsse sein Kurzarbeitergeld nicht mehr besteuern. Das
sei eine Bazooka der zwischenmenschlichen Wärme, so Finanzminister
Scholz. Deutschland dürfte sich in Kürze nicht mehr wiedererkennen.
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