Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (19. Juli 2020)
 
Zwischen uns passt kein Blatt Papier
 

Dinge  der Woche: Nur widerwillig hat unser Autor anfangs seinen Mundschutz getragen. Inzwischen fühlt er sich ohne nackt und fürchtet das Ende der Corona-Krise.

   Auf dem Weg vom Bäcker zum Supermarkt fing es an. Das sind nur ein paar Minuten. Warum also den Mundschutz abnehmen, dachte ich bei mir, man ist ja eh mit Backwerk beladen und hat keine Hand frei. Dann habe ich mich irgendwann dabei erwischt, wie ich die Maske auf dem Heimweg vom Supermarkt noch trug. Tage später, ich wusch gerade im Bad meinen Rasierpinsel aus, fiel mir auf, dass ich mich, ohne de Mundschutz abzunehmen, rasiert hatte.



   Ich war nicht von Anfang an mit Feuer und Flamme für den von manchen als Maulkorb verunglimpften Stofflappen. Gerade als Schwabe fühlt man sich oft unverstanden, zumal man mit einem Dialekt aufgewachsen ist, der einen zum Verschlucken von Lauten geradezu erzieht. Nach nächtelangen Diskussionen mit mir selbst kam ich allerdings zu dem Schluss, dass nicht alles, was ich von mir gebe, unbedingt verstanden werden muss. Ausserdem sollte man nichts unversucht lassen, wenn es ums Überleben der Menschheit geht.

   Aus diesen Gründen bin ich inzwischen überzeugter Mundlappenträger, betrachte ihn gar als Bereicherung meines Daseins. Eigentlich weiss ich gar nicht mehr, wie es ohne war. Wenn mich etwa die Dame an meiner Seite des Morgens darauf hinweist, dass ich in der Nacht einen ganzen Wald abgeholzt hätte, zeige ich nur auf das Stück Stoff vor meinem Gesicht. Das Argument, ich hätte auch früher geschnarrt und das Gesäge hänge ursächlich eher mit meinem Alkoholkonsum zusammen, überhöre ich. Mich versteht ja auch nicht jeder.

   Mittwoch war ich beim Zahnarzt. Ich hatte mit wahnsinnig gefreut auf diesen Besuch. Endlich konnte ich meiner professionellen Zahnreinigungskraft auf Augenhöhe begegnen. Okay, eine Schutzbrille trug ich nicht, aber meinen Mundschutz. Ich war richtig enttäuscht, als sie mich bat, das Stück Stoff abzunehmen. Apropos Stoff. Meiner stammt vom Edelhemdenhersteller van Laack. Fünf Teile für knapp zehn Euro. Aber das bleibt bitte schön unter uns.



   Es ist keine Übertreibung, wenn ich sage, dass zwischen mich und meinem Mundschutz kein Blatt Papier passt. Deshalb plädiere ich auch dafür, das Bild in meinem Profil dahingehend zu ändern. Kein Mensch würde mich erkennen, liefe ich ihm auf der Strasse über den Weg.

   Seit ein paar Tagen haben wir Probleme mit einem Fuchs, womöglich sind es gar mehrere. Die Viecher kacken hemmungslos im Garten herum, neulich lag sogar ein Haufen direkt vor der Verandatür. Ich bat einen Kollegen, der unlängst den Jagdschein gemacht hatte, ob er mir wenigstens seine Knarre leihen könnte. Er lehnte ab. Zum einen, sagte er, dürfe selbst er als Jäger nicht in Wohngebieten herumballern. Und ich ohne Waffenschein schon gar nicht.

   Das sind so Momente, da sehne ich mich nach Amerika. Ihnen kann ich es ja im Vertrauen sagen: Für mich ist die Sache mit dem Füchsen noch nicht gegessen. Aber ich bin ja nicht blöd. Nur mal angenommen, ich würde verbotenerweise zur Waffe greifen, selbstverständlich tät ich mich tarnen und vorher den Mundschutz abnehmen.
 

 

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