Leciejewskis
Schluckhilfe Klaus Leciejewski

Seit
vielen Jahren höre ich aus deutschen Redaktionen immer wieder:
Ironie hat es schwer in Deutschland! Allerdings habe ich den
Eindruck, dass sich dahinter die Überzeugung versteckt, die
meisten Deutschen seien einfach zu blöd, um die Verdrehung der
Wirklichkeit zu erkennen. Ehrlicherweise muss ich feststellen,
dass auch den Lesern von „Achgut“ durchweg eine Unfähigkeit
innewohnt, die Unfähigkeit, einen vorgekauten Brei einfach hinunterzuschlucken.
Im Folgenden zehn Beispiele dafür.
Alternativlos Eines
der einfachsten Adjektive, denn alternativlos ist alles, von
dem Frau Merkel behauptet, dass es alternativlos ist. Und
da inzwischen auch Tagesschau, Spiegel Online und FAZ behaupten,
dass Frau Merkel alternativlos sei, wünschen wir uns alle, dass
sie alternativlos lange leben wird. Allerdings gibt es da eine
klitzekleine Schwierigkeit. Eine Demokratie besteht per definitionem
aus Alternativen, insgesamt aus unendlich vielen, so wie die
Philosophen behaupten, das Weltall wäre unendlich, was aber
nur ein gedankliches Hilfskonstrukt ist, um nicht von Frau Merkels
Alternativlosigkeit eingefangen zu werden. Im Alltag müssen
wir uns also permanent mit Alternativen herumschlagen. Merkel
hilf! ' Artgerecht Gesetzlich vorgeschriebener
Umgang der Öffentlichkeit mit Politikern zum Erhalt ihrer Steuererleichterungen.
Die Aussage, dass das Leben ein ewiges Gehen und Vergehen ist,
liest sich banal, aber überhaupt nicht banal ist die Tatsache,
dass Politiker davon ausgenommen sind. Solange sie an der Macht
gelassen werden und ihre Pensionsansprüche gesichert sind, werden
sie artgerecht gehalten. Bis jetzt haben uns die Hühner noch
nicht erzählt, was ihnen lieber wäre, vom Fuchs gejagt zu werden
oder permanent Eier zu legen. Aber, wie uns Herr Habeck zwar
vertraulich, aber doch zuverlässig versicherte, es wird daran
geforscht.
Ganzheitlich Bezeichnung für alles,
was uns die Experten im Detail nicht mehr erklären können. Allerdings
wird das Ganze erst dann ganzheitlich, wenn es auseinandergefallen
ist. Wenn Ihnen ein Arzt rät, ihren Körper ganzheitlich aufzufassen,
dann verfügen Sie über die Gewissheit, dass er nicht mehr weiter
weiß. Dabei ist jedoch zu berücksichtigen: Wenn Sie das Ganze
im Blick haben, stören die Details nicht mehr. Ob die ganzheitliche
Sichtweise zutrifft, hängt von einer unganzheitlichen Betrachtung
ab.
Im Einklang mit der Natur Bezeichnung für
die zweihundertjährige Wiederkehr der Deutschen Romantik. Schon
von alters her ist den Deutschen eine tiefe Seelenverwandtschaft
mit der Natur eigen. Jeder Deutsche pflanzt in seinem Leben
wenigstens einen Baum, den macht er dann zu Papier, um einen
Roman zu schreiben, und wenn er das geschafft, zeugt er damit
ein Kind. Wenn Sie zu Aldi gehen, die Reistüte aufreißen und
sich den Reis in die Hosentasche kippen, dann leben Sie im Einklang
mit der Natur. Die Natur ist ein ständiges Kommen und Gehen.
Bezogen auf sein Gewicht lebt Joschka Fischer im Einklang mit
der Natur.
Konstruktiv Eine Bezeichnung für
die Ewigkeit, weil konstruktiv gesehen, uns die Gegenwart nicht
stören sollte. Falls Sie ein Regierungsmitglied finden sollten,
das noch niemals „konstruktiv“ in den Mund genommen hat, schenke
ich Ihnen ein mit doppelt Pflaumenmus belegtes Brötchen, einmal
hineinbeißen und alles fließt an den Seiten weg, das, was im
Brötchen übrig bleibt, ist garantiert konstruktiv. Wenn Sie
nicht darüber nachdenken, was die 1,2 Billionen Schulden, die
sich Deutschland aufgeladen hat, mit Ihnen machen werden, dann
denken Sie konstruktiv.
Nachhaltig Nachhaltig
ist das, was uns irgendwann, irgendwie und irgendwo wiederbegegnet.
Nachhaltigkeit ist der größte Fortschritt der Menschheit seit
der Einführung des Wasserklosetts. Niemand will so richtig wissen,
wie es funktioniert, aber alle sind dafür. Unsere Exkremente
verschwinden nicht im Weltraum, sie werden auf der Erde wiedergeboren,
vornehmlich als berauschend duftende Blumen, meinte meine Großmutter.
Mein Großvater war praktischer veranlagt, der holte vom Bauern
Pferdeäpfel für die Erdbeeren, die dufteten dann zwar nicht
nach Pferd, aber unsere Exkremente nach Erdbeeren. Leider gibt
es eine wesentliche Einschränkung im Kampf für die Nachhaltigkeit.
Die letzte Flasche Bier im Kühlschrank ist nicht nachhaltig.
Soziale
Gerechtigkeit Wichtigster Begriff der Demokratieverteidiger.
Die Leberwurst hat kein Ende. Alle Menschen sind gleich, alle
sind gleich erfolgreich, alle haben dieselben Ziele und dafür
wird uns niemals das Geld ausgehen. Beiden Bestandteilen wohnt
die wundersame Eigenschaft inne, selbsterklärend zu sein. Was
sozial ist, ist auch gerecht, und was gerecht ist, muss auch
sozial sein. Deshalb kann keiner erklären, was unter sozialer
Gerechtigkeit zu verstehen ist. Daraus resultiert seine enorme
Wirkung. Allerdings ist noch immer nicht so ganz geklärt, wer
darüber entscheidet, was sozial und was gerecht ist, aber es
gibt eine Hoffnung dafür. Kevin Kühnert arbeitet intensiv daran.
Systemrelevant Für
Politiker die maßgebliche Charakterisierung, um im wirtschaftlichen
Roulette weiter ausreichend Jetons in der Hand zu halten. Hingegen
ist die Behauptung schändlich, dass damit ihr Scheitern bei
der Regulierung der Wirtschaft und ihr Versagen in der Kontrolle
der Wirtschaft bezeichnet werden soll. Wenn ein Politiker die
Bezeichnung „systemrelevant“ in den Mund nimmt, sieht er das
Ende seiner Karriere ohne Pensionszahlungen vor Augen. Die Kneipe
an meinem Dorfplatz ist für mich systemrelevant, für Peter Altmaier
ist es Barilla.
Umstritten Das beliebteste
Adjektiv der Journalisten, denn es ist ungemein praktisch. Journalisten
wollen damit von ihrer Feigheit ablenken, offen zu sagen, dass
ihnen ein Politiker oder Künstler aus reiner politischer Überzeugung
heraus einfach nicht passt. Und kaschieren ihre Unfähigkeit,
Information von Meinung zu trennen. Jede journalistische Meinungsäußerung
muss per se umstritten sein, sonst wäre sie banal. Thilo Sarrazin
als einen umstrittenen Autor zu bezeichnen, ist eine in höchstem
Maße umstrittene Behauptung.
Wiederverwendbar Wiederverwendbar
ist alles, was nicht nachhaltig ist, aber noch einen Nutzen
stiften kann. Bei Jürgen Trettin (lebt der eigentlich noch?)
waren es die Dosen. Er rettete uns vor der Vermüllung und sich
in eine angemessene Pension. Den Flaschensammlern schenkte er
damit ein kontinuierliches Einkommen, allen anderen eine zusätzliche
samstagsvormittägliche Beschäftigung. Bei seinem Vorgesetzten,
dem Herrn Schröder, war das komplizierter. Erst rettete sich
der bei einem lupenreinen Autokraten in eine höhere Gehaltsstufe,
und diese rettete ihn in wiederverwendbares Eheglück. Den Polen
entzog er damit eine Einkommensquelle, aber das liegt am Konservatismus
der Polen. Schade, dass wir die Polen nicht als rechtsradikal
bezeichnen können, das liegt an unserer Vergangenheit, aber
rechtskonservativ geht noch gerade, hingegen geht bei den Ungarn
alles. Für uns entfernte Schröder damit einen alten Verbündeten,
schuf aber Platz für einen potenziell neuen. Übrigens ist bei
Frau Kipping sogar der Sozialismus wiederverwendbar.
Original
"Schluckhilfe" bei Achgut
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