Dinge der Woche: An den deutschen Stränden
herrscht ein Gedränge wie in den Fleischfabriken. Die Kanzlerin
trägt heimlich Maske. Und gegen Corona helfen Tanzen und Knoblauch.
Verstehe
einer den Menschen. Am liebsten lebt er im Widerspruch mit sich
selbst und bemerkt es lange nicht. Und wenn er doch nach einer
halben Ewigkeit kapiert hat, was für ein Dödel er in Wirklichkeit
ist, will er nichts davon wissen und schiebt die Verantwortung
einfach auf einen anderen seiner widersprüchlichen Spezies,
den nächstbesten Dödel. Kognitive Dissonanz nennt man in der
Sozialpsychologie den Widerspruch zwischen Denken, Fühlen und
Handeln.

Und
dann stellt man sich wirre Fragen, auf die womöglich weder Sozialpsychologen
noch Virologen eine heilsame Antwort haben. Beispielsweise,
ob eine Mitgliedschaft in diesem unaufsteigbaren Fussballgurkenverein
Hamburger SV von den Sozialversicherungsträgern als schwere
Berufskrankheit anerkannt wird? Leidet Angela Merkel vielleicht
an einer unheilbaren Maskenallergie? So viele Amerikaner infizieren
sich, warum nicht Donald Trump? Stimmt es, dass "Schweinegrippe"
auf rumänisch "Tonnies" heisst? Und was ist appetitanregender:
Ein volltätowierter Ostseestrand mit Teutonenknuspergrillgarantie
oder die supergünstigen marinierten Fleischbatzen aus dem Discounter?
Oder doch etwa dieses Gerücht namens Corona? Schon mal davon
gehört? Auch nicht?
Na, egal. Wichtig
sind zurzeit nur zwei Dinge: Ein fabrikneues Nackensteak aus
dem Kreis Gütersloh darf in Deutschland niemals mehr kosten
als so ein Wirecard-Aktienpaket oder ein Corona-Schnelltest
aus Markus Söders bayrischer Hausapotheke, also praktisch gar
nichts. Und zweitens sollte man die jungen Dödel in diesem Land
ruhig einfach mal ein bisschen abhotten lassen.
Die
Generation Corona hat schliesslich am meisten gelitten in dieser
Ausnahmesituation, fast hätten wir ignoranten, faltigen Nackensteakvertilger
dieses unfassbare Leid vergessen. Endlose zwölf Wochen ohne
Dauerparty, Wildpinkeln, Abiball, Bierrausch und Dunpfpopgetöse
- echt jetzt? Diese Zeit des Lockdown war viel schlimmer als
der Lagerkoller in Stalingrad, der Hungerwinter 1946/47 oder
der Anblick Boris Johnsons beim Liegestützenmachen.

All
diese Entbehrungen! Um die Sensibelchen nicht weiter zu stressen,
sollte man ihnen zum Trost ihre schlechten Mathe-Abiturnoten
jetzt deutlich anheben und sie mindestens bis zur Ankunft der
zweiten Welle tanzen und trinken lassen, und zwar dort, wo sie
alle sehen und hören können, in den Fussgängerzonen und Grünanlagen
Stuttgarts, Frankfurts und Berlins. Die ganze Nacht am besten,
noch besser jede Nacht, und wenn die Freaks dann zu wummernden
Bässen ausrasten, keine Abstände einhalten oder gar Pflastersteine
werfen, dann ist das nur eine harmlose Narretei und jemand anderes
trägt die Schuld: Die Spiesser, Corona oder die bösen Spielverderber
der Polizei.
Ja, so einfach tickt die
kränkliche Welt. Und wenn nichts hilft, auch das Zappeln im
öffentlichen Raum nicht, hilft Knoblauch. Den empfahl die gesundheitspolitische
Sprecherin der Berliner Grünen zur Corona-Behandlung monatelang
auf ihrer Website, dann löschte sie den Eintrag. Im Verglich
zu diesem Fall von schwerer kognitiver Dissonanz wirkt Donald
Trump beinahe vernünftig.
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