Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Juni 2020)
 
Das Ä wird überschetzt
 

Dinge der Woche: Was, wenn der Rechner sich plötzlich weigert, einen bestimmten Buchstaben zu schreiben? Dann geht es auch ohne ihn, solange es sich um ein Ä handelt.

   Haben Sie gewusst, dass in Gefangenschaft gehaltene Geparden unterschiedlichen Geschlechts schnell das Inteeresse aneinander verlieren? Noch ist unklar, ob es bei der Fortpflanzung deshalb hakt, weil sie dauernd über Kopfschmerzen klagt. Oder daran, dass er nur noch andere Weibchen im Kopf hat. Aber trivialwissenschaftlich kann man festhalten, die Katzen sind auch nur Gewohnheitstiere und haben, so sie auf Dauer ein Schlafzimmer teilen, null Bock aufeinander.



   Warum ich das schreibe? Nun, zum einen, weil man mir mal eingetrichtert hat, dass die Themen Sex und Tiere immer gehen und in Kombination geradezu unschlagbar sind. Und zum anderen, weil ich nach Wochen in Homeoffice in diesen Tagen mal wieder in der Redaktion war und und dabei feststellen konnte, wie erfrischend es doch sein kann, dem Gewohnten zu entfliehen. In anderen Zeiten mochte der Satz einer Kollegin einfach verhallt sein und niemals jene Beachtung gefunden haben, den er verdient hat. Aber jetzt! In die Stille des Raums hinein, die nur erfüllt war von leichtem Tastengeklimper, fiel der Satz "Ich kann kein Ä mehr schreiben!"

   Keine Frage, das klang wie ein Hilferuf! Natürlich ist der Galan alter Schule dann nicht mehr zu bremsen. Mit raumgreifenden Schritten eilte ich an den Arbeitsplatz der Kollegin, die wichtigtuerische Bemerkung einer Kollegin "Einfach dn Rechner herunterfahren und noch mal neu starten!" ignorierend. In solchen Momenten ist Ruhe oberstes Gebot. Und, nachdem erste Reparaturversuche nichts bringen, gezieltes Nachfragen: "Warum wolltest du überhaupt ein Ä schreiben?"

   Von den drei mir bekannten Umlauten ist das Ä der mit Abstand am verzichtbarste. Ohne auch nur einmal die Ä-Taste zu drücken, kann man beispielsweise problemlos über die Liebesgewohnheiten von Geparden berichten. Bei Chamäleons ist das schwieriger, aber Hand aufs Herz, was haben uns die eierlegenden Schuppenkriechtiere in der Hinsicht zu sagen?



   Gut, ich höre schon meine mit dem leidigen C-Thema befassten Kollegen einwenden: "Aber Quarantäne braucht nun mal ein Ä, alter Klugscheisser." Stimmt, aber wer hindert uns daran, mit Begriffen wie Absonderung, Isolierung, Trennung oder Seperation zu operieren?

   Schwierig wird es nur im folgenden Fall. Ich muss Ihnen unbedingt von einem Besuch bei einer Verkaufsstelle für Flüssigkost berichten. Doch bevor ich mir einen abbreche und den Herr an der Ladenkasse als Drinkdealer bezeichne, der gute Mann ist Getränkehändler, wobei ich mir die Frage stelle, ob sich zwei Äs in einem Wort nicht gegenseitig aufheben. Ich trink darüber nach. Wichtig ist mir der Ratschlag, den mir der weise Mann an der Kasse auf den weiteren Lebensweg mitgab: Er habe stets eine leere Flasche Mineralwasser im Kühlschrank, sagte er. "Falls mal einer vorbeikommt, der nichts trinken will."

   Ich will nichts beschönigen. Das Problem mit dem verdammten Ä liess sich schliesslich nur durch einen Neustart des Rechners beheben. Dennoch bleibe ich dabei, das Ä wird überschetzt.
 

 

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