Dinge der Woche: Der Krisenmensch ist mittlerweise
so ausgehärtet wie das letzte Popcorn, das im Kino herumliegt.
Die Unterhaltungsbranche dagegen ist längst im Corona-Modus.
Nie
war die Melancholie des Stillstands so greifbar wie in diesen
Tagen. Der zögernde Konsum wird eckig und unreif und gehorcht
dem Diktat der Industrie- un Handdwerkskammern. Er wird begleitet
von der Angst, eine Schaufensterpuppe könnte plötzlich husten
oder in der Strassenbahn fiele eine Atemmaske von der Decke.
In den Fussballstadien hat der Nachhall eines gewaltigen Rülpens
in den Bierkurven ein säuerliches Echo.

In
den städtischen Theatern haben die Drehbühnen die lahmen Glieder
ausgestreckt und seufzen. Tristan blickt ins Leere, wo kein
Schiff zu sehen ist. Die Scheinwerfer hängen wie kalte Gestirne
an der Decke. In den Kinos sind die letzten nicht verkauften
Popcornrationen in den Zustand der Versteinerung übergegangen.
In den Museen sind Tag und Nacht schon lange nicht mehr zu unterscheiden.
Beuys hat sich zu Breughel in den Winterschlaf begeben. Raffael
ist nur noch ein Vorname. Und das letzte in einer Berliner Szenengastronomie
ausgegebene, aber nicht mehr verzehrte Rinderbrust-Pastrami
ist bereits in Kunstharz konserviert. Es soll zentrales Exponat
des geplanten Katastrophenmuseums in Osnabrück werden.
Der
Homo coronas, der Krisenmensch, wird an all dem kein Interesse
mehr haben. Seine Psyche ist gehärtet. Er hat monatelang aus
nächster Nähe in die Gesichter der Liebsten geblickt, braucht
also kein Melodram in den Kinos mehr. Er ist in den Achterbahnfahrten
der virologischen Expertenmeinungen willig gefolgt, weshalb
eine Wasen- oder Wiesn-Belustigung ihren Reiz verloren hat.
Er hat 2450 "ARD-Brennpunkte" durchlitten, 1567-mal
zu Hause Monopoly gespielt und drei Millionen Kniebeugen nach
Anleitung vollzogen. Er weiss jetzt alles über das Golgotha
der Familien und den Opfermut der Menschen im Schützengraben
des Einzelhandels.
Gleichmut ist wichtig,
denn die Kanzlerin will den Ausnahmezustand erst mal beibehalten.
Eine bundesweite Normalsierungsorgie soll erst in im Jahr 2034
geben - aber nur, wenn diese disziplinlosen Landesfürsten Ruhe
geben. Der Wirtschaftsminister will bleiben, bis der letzte
Cent seines Etas verballert ist. Der Star-Virologe aus Berlin
macht weiter, bis die Reproduktionszahl in den Minusbereich
rutscht, also jeder Mensch weniger als ein Virus ansteckt. Ein
Scheitern ist ausgeschlossen.

An
Büchern und Filmen zum Thema wird es solange nicht mangeln.
Geplante Titel lauten "Robert kocht" (Väter in Quarantäne),
"Feuchtatem" (Irgendetwas mit Corona-Erotik), "Aus-Reise"
(die schönsten Urlaubsziele im Umkreis von 500 Metern), "Pizza
Corona" (Peter Altmaiers Lieblingsrezepte), "Todeszone"
(Berichte aus dem Edeka-Mehlregal), "Mutterkreuz"
(Erfolgreiche Frauen berichten aus der Homeoffice-Hölle). Für
die Titel "Heisser Atem", "Fauler Atem"
und die Tribute von Odem" sind die Rechte bereits verkauft.
Schliesslich
die Netflix-Serie "Strangers in My House". Dort kann
eine Familie von einem Tag auf den anderen nicht mehr auf die
Kita-Betreuung zählen und führt einen bruten Überlebenskampf.
Am Ende aber können sich die Eltern wieder an die Namen ihrer
Kinder erinnern. Unbedingt ansehen!
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