Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (10. Mai 2020)
 
Berichte aus der Edeka-Todeszone
 

Dinge der Woche: Der Krisenmensch ist mittlerweise so ausgehärtet wie das letzte Popcorn, das im Kino herumliegt. Die Unterhaltungsbranche dagegen ist längst im Corona-Modus.

   Nie war die Melancholie des Stillstands so greifbar wie in diesen Tagen. Der zögernde Konsum wird eckig und unreif und gehorcht dem Diktat der Industrie- un Handdwerkskammern. Er wird begleitet von der Angst, eine Schaufensterpuppe könnte plötzlich husten oder in der Strassenbahn fiele eine Atemmaske von der Decke. In den Fussballstadien hat der Nachhall eines gewaltigen Rülpens in den Bierkurven ein säuerliches Echo.



   In den städtischen Theatern haben die Drehbühnen die lahmen Glieder ausgestreckt und seufzen. Tristan blickt ins Leere, wo kein Schiff zu sehen ist. Die Scheinwerfer hängen wie kalte Gestirne an der Decke. In den Kinos sind die letzten nicht verkauften Popcornrationen in den Zustand der Versteinerung übergegangen. In den Museen sind Tag und Nacht schon lange nicht mehr zu unterscheiden. Beuys hat sich zu Breughel in den Winterschlaf begeben. Raffael ist nur noch ein Vorname. Und das letzte in einer Berliner Szenengastronomie ausgegebene, aber nicht mehr verzehrte Rinderbrust-Pastrami ist bereits in Kunstharz konserviert. Es soll zentrales Exponat des geplanten Katastrophenmuseums in Osnabrück werden.

   Der Homo coronas, der Krisenmensch, wird an all dem kein Interesse mehr haben. Seine Psyche ist gehärtet. Er hat monatelang aus nächster Nähe in die Gesichter der Liebsten geblickt, braucht also kein Melodram in den Kinos mehr. Er ist in den Achterbahnfahrten der virologischen Expertenmeinungen willig gefolgt, weshalb eine Wasen- oder Wiesn-Belustigung ihren Reiz verloren hat. Er hat 2450 "ARD-Brennpunkte" durchlitten, 1567-mal zu Hause Monopoly gespielt und drei Millionen Kniebeugen nach Anleitung vollzogen. Er weiss jetzt alles über das Golgotha der Familien und den Opfermut der Menschen im Schützengraben des Einzelhandels.

   Gleichmut ist wichtig, denn die Kanzlerin will den Ausnahmezustand erst mal beibehalten. Eine bundesweite Normalsierungsorgie soll erst in im Jahr 2034 geben - aber nur, wenn diese disziplinlosen Landesfürsten Ruhe geben. Der Wirtschaftsminister will bleiben, bis der letzte Cent seines Etas verballert ist. Der Star-Virologe aus Berlin macht weiter, bis die Reproduktionszahl in den Minusbereich rutscht, also jeder Mensch weniger als ein Virus ansteckt. Ein Scheitern ist ausgeschlossen.



   An Büchern und Filmen zum Thema wird es solange nicht mangeln. Geplante Titel lauten "Robert kocht" (Väter in Quarantäne), "Feuchtatem" (Irgendetwas mit Corona-Erotik), "Aus-Reise" (die schönsten Urlaubsziele im Umkreis von 500 Metern), "Pizza Corona" (Peter Altmaiers Lieblingsrezepte), "Todeszone" (Berichte aus dem Edeka-Mehlregal), "Mutterkreuz" (Erfolgreiche Frauen berichten aus der Homeoffice-Hölle). Für die Titel "Heisser Atem", "Fauler Atem" und die Tribute von Odem" sind die Rechte bereits verkauft.

   Schliesslich die Netflix-Serie "Strangers in My House". Dort kann eine Familie von einem Tag auf den anderen nicht mehr auf die Kita-Betreuung zählen und führt einen bruten Überlebenskampf. Am Ende aber können sich die Eltern wieder an die Namen ihrer Kinder erinnern. Unbedingt ansehen!
 

 

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