Dinge der Woche: Am Anfang auch Frohsinn und
weisses Hemd. Nach zwei Wochen Grauschleier und Feinripp. Aber
lesen Sie selbst, was Homeoffice aus einem Menschen machen kann.
Homeoffice,
klingt irgendwie schick und modern. Nach flexiblem Arbeiten,
inspirierenden Online-Konferenzen und zwischendrin kann man
mit dem Wellensittich vors Haus. In den sechziger und siebziger
Jahren des vergangenen Jahrhunderts hiess Homeoffice noch Heimarbeit.
Frauen knüpften sich daheim für einen Hungerlohn an Wollteppichen
die Finger blutig oder klebten Plastikhäuser für Eisenbahnlandschaften
zusammen. Aber wenn sie zum Einkaufen mussten, waren sie rausgeputzt
und brachten Licht in eine smogverhangene Welt.
Ich
bin seit zwei Wochen im Homeoffice und mit jedem Tag verneige
ich mich tiefer vor diesen Heimarbeiterinnen. Es ist nicht so,
dass ich daheim am Laptop in Selbstmitleid versinke. Aber ich
verwahrlose als Lonesome-Writer zusehends. Dass ich mich morgens
unter den Duschstrahl stelle, mache ich mehr aus Gewohnheit
als aus Überzeugung. Schaue ich in den Spiegel, glotzt mir eine
Art Hemmingway für Arme entgegen. Leider nur optisch, schreiberisch
gräbt mir der alte Haudegen selbst aus dem Grab heraus das Wasser
ab. Kein Witz, ist mein voller Ernest.

Anfangs
setzte ich mich noch im frisch gebügelten Hemd an den auf dem
Esszimmertisch platzierten Rechner. Als der Hemdenvorrat aufgebraucht
war, kamen Sweat- und T-Shirts zum Einsatz. Bei Tag zwölf war
ich beim Feinripp angekommen. Weil geteiltes Leid halbes Leid
ist, dachte ich, ich stelle ein Foto mit meiner neuen Arbeitskleidung
ins Netz, woraufhin eine junge Online-Kollegin wortlos vom Stuhl
gekippt sein soll.
Einzig ein grosser
Magier und Komödiant schien meinen Auftritt etwas abgewinnen
zu können. Er schrieb mir: "Wo sich das Brusthaar stolz
den Weg durchs Feinripp bricht, wie ein Löwenzahn durch den
Stadtbeton, da hat das Testosteron noch was zu sagen."
Der Mann hat mich verstanden und was bei mir gut. Sein neuestes
Programm werde ich ungesehen in höchsten Tönen loben.
Vielleicht
wäre die Arbeit im Homeoffice halb so wild, wenn nicht ständig
merkwürdige Nachrichten von der Welt da draussen auf einen einprasseln
würden. Etwa am Montag, als die Stadt Stuttgart verlautbaren
liess, dass bei Trauungen auf dem Standesamt nur noch Braut
und Bräutigam anwesend sein dürften. Aus virologischer Sicht
mag es dafür Gründe geben, aber durch die Hintertür bedeutet
dieses ein Ende der Vielweiberei.
Irritierend
auch die Meldung, Jägermeister und Co. würden in der Corona-Krise
Desinfektionsmittel herstellen, um entsprechende Engpässe zu
überbrücken. Was, bitte, ist daran neu? Hochprozentiges wurde
von Männern meiner Generation schon immer eine reinigende Wirkung
zugeschrieben.

Aber
es ist nicht alles schlecht, was da draussen vor sich geht.
Die Umwelt kann sich die Hände reiben. Am einst dreckigsten
innerstädtischen Streckenabschnitt der Republik ist die Luft
inzwischen so sauber, dass das Stuttgarter Neckartor in Kürze
den Zusatz "Bad" erhält.
Letzte
Meldung aus dem Homeoffice: In den Tiefen meines Kleiderschranks
habe ich ein Teil entdeckt, das mir wieder Würde verleiht. Zu
diesen Zeilen trage ich mein letztes Hemd.
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