Dinge der Woche: Corona verbreitet sich überall,
nur nicht in unseren Fussballstadien. Die Deutschen horten Tütensuppen
statt Thomas-Mann-Romane. Und Meerschweinchen sind ausverkauft.
Das
Deutschland immer noch das gelobte Land der Dichter und Denker
ist, kann man an der Tatsache erkennen, dass aus Angst vor der
weiteren Ausbreitung des Coronavirus ruck zuck die Leipziger
Buchmesse abgesagt worden ist, nicht aber diverse Fussballspiele
wie die angebliche Spitzenbegegnung Stuttgart gegen Bielefeld.
Das
beweist zum einen, dass so ein Strafraum kein Sperrgebiet sein
muss, Geisterspiele mindestens so angsteinflössend sind wie
Südtirol-Rückkehrer sind und Bielefeld kein Gerücht ist, sondern
eine schwere Heimsuchung, gegen die man sich in der Zweiten
Bundesliga noch nicht impfen lassen kann.

Andererseits
wird der Besitz von Büchern heutzutage schon als gefährliche
Vorerkrankung eingestuft, weshalb von der Lektüre bakterieller
Belleristik dringend abgeraten wird. Wer als halbtoter Bildungsbürger
alter Schule das "Decamerone" von Giovanni Boccaccio
im Billy-Regal stehen hat, ein derzeit viel zitiertes Werk der
Weltliteratur, welches der Florentiner 1348 vor dem Hintergrund
des Pestepidemie schrieb, gilt als Risikopatient mit italophiler
Infektionskette und muss zwei Wochen besser zwei Jahre unter
Quarantäne gestellt werden.
Stadionbesuche
hingegen förderten, so heisst es vielerorts, die Frischluftzufuhr
im Verein und den sozialen Zusammenhalt der ohnehin gespaltenen
deutschen Gesellschaft, die seit einer anderen unheilbaren Viruserkrankung
auf dem einem Auge annähernd blind ist. Das reicht aber noch
nicht für ein telefonisches Attest.
Zu
den empfohlenen antiviralen Massnahmen gehört für alle Fussballfans
bis auf Weiteres: Beim Tor der eigenen Mannschaft bitte in die
Armbeuge gröhlen! Die Stadionwurst vor dem Verzehr in Alkohol
tunken! Und vor und nach dem Schmähgesang gegen Dietmar Hopp
möglichst auf die Mundhygiene achten und mit Kernseife ausgiebig
spülen!
Jens Spahn hat jedenfalls alles
unter Kontrolle. Er wirkt noch jung, gesund, unbelesen und gibt
jedem Kiez-Virologen die Ghetto-Faust. Der Bundesminister für
Krankheit hat sich lediglich ein Selfie-Stopp verordnet. Für
ihn ein riesiges Opfer. Doch Panik sei fehl am Platze, sagen
alle. Das gilt übrigens auch für den Humor. Unachtsames Lachen
scheint ansteckend zu sein - anders als eine Grossveranstaltung
im Volkssport. Die Grünen überlegen deswegen, alle Satiriker,
die sich nicht über Friedrich Merz, Woody Allen oder ähnlich
alte weisse Männer lustig machen, verbieten zu lassen. Kurzum,
2015 darf sich nicht wiederholen!

Dass
die Kultur eine wichtige Rolle spielt, sieht man auch im Handel,
wo Tütensuppen und Toilettenpapier statt Thomas-Mann-Romane
über lungenkranke Helden ausverkauft sind. Die Hamsterverkäufe
sind glücklicherweise seltener geworden, dafür sind jetzt die
Meerschweinchen dran. Renommierte Buchverlage überlegen aus
wirtschaftlichen Gründen, künftig ihre Bestseller auf ungebleichtem
Klopapier drucken zu lassen. Die Krise macht erfinderisch. Notfalls
können auch Glossen wie diese in der Nasszelle zum Einsatz kommen.
Danach aber unnnbedingt die Hände waschen!
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