Dinge der Woche: Gegen das, was uns in den
kommenden Wochen bevorsteht, war der Orkan Sabine nur ein laues
Lüftchen. Aber Alkohol kann helfen.

Tanzten
zu Beginn der Woche noch Gartentische, Haustiere und Kinderwagen
ein ätherisches Luftballett, erlahmten die Winde des Sturmtiefs
Sabine zur Wochenmitte wieder. Die Menschen sammelten ihr zerstreutes
Hab und Gut ein, nutzten das Chaos, um heimlich einen verbogenen
Küchenhocker, kaputte Fahrradschläuche und die alte Computerfestplatte
über den Zaun zum Nachbarn zu schleudern, und bügelten ihre
zerzausten Haare. Ein Funkmast aus Brandenburg fand sich nach
dem Sturm in Hessen wieder und fing dort ein neues Leben an,
in einem Regionalexpress bei Herrenberg fing die Kaffeemaschine
wieder an zu röcheln und ein Autofahrer, der drei Tage lang
einen Zwangsslalom um herumliegende Verkehrsschilder und Baumstämme
fahren musste, wurde verrückt und sitzt in der Psychiatrie.
Viele
Deutsche, die sonst zielstrebig ihre Wege nach Nutzen und Aufwand
bemessen, ließen sich von Sabine ins Privatleben fremder Menschen
treiben oder hatten plötzlich einen vom Himmel herabgestürzten
Pudel im Einkaufskorb. Auch die CDU-Chefin nutzte den Wind,
um sich aus ungeliebten Ämtern tragen zu lassen, warf aus der
Luft einige Kusshände in Richtung des politischen Berlin und
ward nie mehr gesehen.
Davon unbeeindruckt
nahm die allgemeine Umtriebigkeit der sogenannten fünften Jahreszeit
an Intensität zu. Ein Bohren, Flüstern, Kichern, untermalt vom
Ploppen Tausender Bierflaschen in den Garagen, Werkstätten und
Vereinsheimen, erfüllte die Luft. Der bevorstehende Karneval
stellt die Organisatoren vor gewaltige Herausforderungen: Lässt
sich die Physiognomie des thüringischen Chefs der Rechtspartei
- eine Melange aus Fitnesstrainer, Physikstudent und Gefängnisaufseher
- als Maske nachbilden? Wie poliert man eine FDP-Glatze? Welcher
Kostümverleih hat noch Hindenburg-Uniformen im Angebot?
Als
sicher gilt, dass der erste Motivwagen zum Thema Machtergreifung
fast fertig ist. Es sei gelungen, diesen Abschnitt der deutschen
Geschichte mit einem entschlossenen „Nie wieder“ zu grundieren
und in luzid-humoristischer, niemals aber derb-plumper Manier
unters Volk zu bringen. Auf Konfetti werde verzichtet.

Offen
ist aber, was passiert, wenn etwaige Nachfolger von Sabine die
Macht an der Wetterfront ergreifen. Experten befürchten, dass
Masken, Glatzen und Figuren von der ersten Windbö durcheinandergewirbelt
werden. Dann seien weder links noch rechts, weder braun noch
schwarz mehr zu unterscheiden. Gestürzte Führer, Verräter, Karrieristen
und Meuchelmörder aus Pappmache und Holz würden sich unkontrolliert
über die Innenstädte verbreiten.
Erfahrene
Karnevalisten wiegeln in dessen ab: Man habe die Lage im Griff.
Selbst wenn Populismus, Willfährigkeit, Dummheit und Geschichtsvernebelung
orkanartig außer Kontrolle geraten sollten, könne man sich das
ganze Chaos-Tableau binnen weniger Stunden schöntrinken. Dann
würde auch niemand merken, dass der alte Stimmungskracher „Viva
Colonia" durch „Finis Germania" ersetzt werde. Und
am Aschermittwoch sei ohnehin alles vorbei.
|