Grüne Woche: Wer die Messehallen in Berlin
besucht, schwimmt durch den Verdauungstrakt der Wohlstandsgesellschaft.
Doch obacht, jede Fischsemmel kann die letzte sein.
Ein
Rülpsen aus vielen Tausend Kehlen erschütterte in dieser Woche
das Land. Epizentrum des peristaltischen Bebens war Berlin,
genauer gesagt das Gelände der Grünen Woche. Dort versammelten
sich wie in jedem Jahr Abertausende Nutztiere, Winzer, Gemüseköniginnen,
Biomöhren und Bauern.

Zu
ihnen gehört der Landwirt Lars P. aus Niedersachsen, den wir
begleitet haben. Am Montag parkt er seinen sechsstöckigen Traktor
vor der Halle und beginnt seinen Rundgang am Stand von Mecklenburg-Vorpommern,
wo er sechs Fischbrötchen isst. Er lässt sich von einem Aussteller
des Partnerlandes Kroatien einige Schnäpse verabreichen und
wird Zeuge, wie sich sechs Schweine und ein Vegetarier langsam
auf einem Balkanspiess drehen. Kaum zehn Meter weiter versuchen
zwei ausgehungerte Berliner Rentner, unter ihren Windjacken
ein Spanferkel aus der Halle zu schmuggeln. Sie stolpern auf
der Rolltreppe und durchbohren mit der Grillgabel versehentlich
eine Kleinfamilie. Einige panierte Frösche huschen vorbei. Sie
werden später in Neukölln von der Polizei gestellt und einer
Dönerbude übergeben. Eine sächsische Spezialfirma zeigt ihren
Traktor vom Typ Königstiger, der mit nur einer Tankfüllung 300
Quadratkilometer Fläche mit Glyphosat unbewohnbar machen. Firmen-Slogan:
"Volk ohne Baum."
Am Tag
zwei schnuppert Lars P. an einem Flakon neuen Zuchtaromen und
sieht auf einem Video eines britischen Starkochs, wie ein paar
Dutzend illegale Einwanderer zu einem Lammpudding weich gekocht
werden. Eine Geschmacksprobe verursacht eine peristaltische
Verpuffung der Stärke 6 auf der Buscopan-Skala. Am Nachmittag
ein erster Eklat. Einige Hundert Tierschützer befreien ein zwölf
Tonnen schweres Kobe-Rind. Sie werden mit dem Herbizid eines
chinesischen Anbieters aus der Halle vertrieben.
An
Tag drei bekämpft Lars P. ein spontandes Hungergefühl mit einer
Doppeltonnage bayerischer Schmankerl. Seine Cholesterinwerte
lösen den Hallenalarm aus. Damit nicht genug. Das Zwiebelkuchenfest
einer Brandenburger Grossbäckerei führt bei Lars zu einem Reflex
bis in den zwölften Stock. Er hält sich an einer Biomöhre fest,
die sofort aufschreit und die Security alarmiert. Lars muss
zur Strafe die nordrhein-westfälische Kartoffelkönigin küssen
und kann danach nur mit Mühe wiederbelebt werden. Lästig sind
auch die vielen Wildbienen, die ihn umschwärmen und in Diskussionen
über den Einsatz von Unkrautvernichtungsmitteln verwickeln.
Lars weint falsche Honigstränen und entkommt in einem afganischen
Gewürzbehälter.

An
Tag vier des Messebesuchs ähnelt die Hautfarbe des Bauern einer
rohen Fleischwurst im Kaltsud. Lars P. wird auf den Krankensammelplatz
gebracht, wo schon halb Berlin liegt.
Nach
der Entlassung streift er beim Ausparken mit seinem Traktor
die aus Rinderhack modellierte Julia-Klöckner-Statue, die zusammenbricht
und zwölf Ziegen eines Schaubauernhofs unter sich begräbt. Lars
P. gibt Vollgas - in den Taschen noch zwei abgelagerte schwedische
Gourmetheringe. Sie halten die Polizei auf Distanz.
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