Die Fussabdrücke im Teppich
ähneln den tiefen Spuren eines Nilpferds vor einem Schlammloch.
Die Dielen knirschen bei jedem Schritt wie bei einem Erdbeben.
Das frisch gewucherte Hüftgold glänzt im Morgenlicht. Ernüchterung
macht sich breit, Katerstimmung. Man entdeckt ein paar hartnäckige
Fettflecken auf der Seele. Der Speck und der Dreck müssen jetzt
weg, keine Frage. Selbstdisziplin braucht der Mensch und dann
und wann eine Diät.

Nach
dem Aufwachen aus dem Weihnachtsbratendelirium schaut man alle
Jahre wieder entsetzt um sich. Kein Schnee, kein Greta-Effekt,
einfach nichts. Dafür Euro-5-Diesel-Fahrverbotsschilder, überall
müde Tannennadeln, Plätzchenkrümel zwischen Sofakissen, Verpackungsschleifen
im Feinstaubnebel und reichlich Böllermüll hinterm Haus bereits
zwei Tage vor Sivesternacht. Offenbar macht niemand mehr Kehrwoche
in dieser angeblichen Kehrwochenhauptstadt. In der Ferne jaulen
Laubbläser, wahrscheinlich im Remstal.
Und
die Begegnungen mit den lieben Verwandten und Bekannten? Verliefen
so mittelprächtig. Tanten, Cousinen, Freundinnen. Weiblicherweise
ist niemand zufrieden mit sich. Voll der Druck. Die eine spritzt
sich Botox, die andere plant chirurgische Schönheitseingriffe
im osteuropäischen Ausland, wo es anscheinend günstiger geht.
Und jemand ist schwanger, nur von wem, weiss keiner so genau.
Was soll man sagen? War wieder ein Fest für den Einzelhandel.
Bestimmt. Playstation statt Orangen, mehr Cool Water als Myrrheduft
und Weihrauch. Bescherung ohne Bestpreisklausel. Man zählt seine
Speckröllchen und gibt ihnen Namen, die das letzte Jahr nicht
im Trend waren: Donald und Wladimir. Dann wird hektoliterweise
Abführtee geschlürft oder in langen Schlangen vor den Kassen
der grossen Einkaufstempel gewartet. "Kennen Sie den Weg
zum Breuninger?", fragt ein mürrisch reinblickendes, nicht
mehr ganz junges Paar am Charlottenplatz vor dem Einklang, dem
gut sortierten Fachgeschäft für Klassik und Jazz. Ihre Taschen
sind prall gefüllt, man bringt, dem Konsumgott huldigend, ungeliebte
Überraschungen zurück. Danke sagen ist aber nicht ihr Ding.
Das
sinnfreie Umtauschen von Christkindl-Plunder allerdings schon.
Es ist ein nachchristlicher Opferritual unseres Heuchelkulturkreises.
Im Einklang ist es leider gähnend leer. Statt den Undankbaren
den Weg zu weisen, hätte man das genervte Paar auf die kleinen
Händler hinweisen sollen, die in den Innenstädten um Kunden
und die Existenz kämpfen.
Doch alle
Wege führen in die brummende Shoppingmaill beziehungsweise unter
die Breuninger-Kuppel im Doretheen-Quartier. Es spielt eine
Silvester-Band flott auf, etwas, was man gleich vergisst und
jedem trotzdem gefällt, irgendwie. Das Publikum wippt jedenfalls
mit. Nach der Party ist vor dem Sale. Yeeeah.

Und
doch trügt der Schein. Niemand verzichtet auf gar nix. Auf dem
Weg zur Markthalle meint man Menschen erkannt zu haben, die
man schon lange nicht mehr gesehen hat. Sind sie es überhaupt?
Wie heisst der noch mal? Ja, genau der Mann, hat der seit dem
Abi zugelegt. Guck mal, das Doppelkinn. Dem schmeckts wohl.
Nach
Weihnachten bricht traditionell eine unheimliche Zeitphase an,
die im Volksmund mit dem Ausdruck "zwischen den Jahren"
bezeichnet wird. Für die meisten Normalsterblichen allerdings
meint der Ausdruck die gehässigen Tage zwischen der Wintersonnenwende
und Dreikönig. Man besucht einander, trifft auf andere Leute.
Man mustert einander, man beneidet sich, man lästert. Und zieht
Bilanz. Man fragt sich: Gibt es überhaupt ein würdevolles Leben
für Männer nach vierzig? Ja, aber nur mit Reiswaffeln. Auf ein
neues schlankeres Neues!
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