Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (08. Dezember 2019)
 
Held in Stützstrümpfen
 

Dinge der Woche: Ein Mann, der heutzutage als harter Hund durchgehen will, muss die Hosen runterlassen. Wir raten zum Gang zur Vorsorgeuntersuchung. Oder zur ambulanten OP.



   Gerade der Mann tut sich heutzutage schwer damit, was Heldenhaftes zu vollbringen. Früher konnte er (nicht nur bei Damen) Eindruck schinden, wenn er einen Mittelklassendiesel ohne Servolenkung in eine enge Parklücke ramgierte. Heute erledigt das Einparken ein sogenanntes Fahrerassistentsystem, das mit Frauenstimme spricht.

   Nur mal angenommen, einer nimmt seinen ganzen Mut zusammen und sagt: "Jetzt mach' ich was total Verrücktes. Leute: Ich werde SPD-Parteivorsitzender." Im Grunde ein guter Gedanke. Aber leider nicht realitätstauglich. Der Kerl hat den zweiten Satz noch nicht einmal ausgesprochen, so befindet er sich mit einer Handvoll Leidensgenossen auf einer Bewerbungstour quer durch über 600 Mittel- und Kreisstädte wieder - mit einer Genossin an seiner Seite.

   Um wahren Heldentum zu beweisen, liebe Männer, bleibt im Grunde nur noch eines, wir müssen zum Arzt. Wer aus freien Stücken eine Vorsorgeuntersuchung über sich ergehen lässt, gilt im Freundes- und Bekanntenkreis bereits als harter Hund. Steigern lässt sich das Ganze noch durch einen Abstecher zum Urologen. Keine Sorge, meine Damen und Herren, jetzt wird es nicht unappetitlich. Schliesslich will ich das Vertrauensverhältnis zu meinem Urologen nicht aufs Spiel setzen.

   Da liegt man also rücklings auf dem Schragen, spürt im Hüftbereich die fest tastenden Finger des Fachmanns, blickt in ein sich verdüsterndes Gesicht und hört den Satz: "Ganz klar, Leistenbruch!" Von jetzt an, Männer, gilt es Haltung zu bewahren und die Übersicht nicht zu verlieren.

   Mein Urologe riet zur operativen Behebung des Schadens und erklärte, dass es zwei Methoden gäbe, eine minimalinvasive und eine herkömmliche mit Schnitt, der, das kann ich inzwischen bestätigen, nicht ganz so gross ausfällt wie bei 'Rotkäppchen und der böse Wolf'. Bei der konserativen Methode, so der Arzt, könne man, obwohl das absurd klinge, noch am gleichen Tag heim.

   Vor meinem inneren Auge tauchte ein Cowboy auf, der einen Sattel geschultert und leicht ein Bein nachziehend, in Richtung untergehender Sonne ging. Nach der OP, sagte der Doc, dürfte ich sechs Wochen nichts Schweres heben. Okay, dann halt ohne Sattel. Als potentieller FDP-Wähler entschied ich mich für die konserative Methode, ambulant.



   Der Kurzaufenthalt in der Klinik verlief auf dramatische Weise unspektakulär. Die stützstrümpfe habe ich mir vor der OP selbst übergestreift. Vielleicht auch deshalb war das Personal so freundlich, dass ich mir fast gewünscht hätte, man würde mich nicht gehen lassen. Erwähnenswert wäre noch eine Loseblattsammlung, die über die potenziellen Gefahren des Eingriffs aufklärte. Der Schrieb trug in seiner Brutalität fast alttestamentarische Züge.

   Bereits am Abend verliess ich die Klinik. In Begleitung, weil sie dich sonst nicht gehen lassen. Trotz Ziehen im Schritt fühlte ich mich gut und frei. Mein Glück wäre vollkommen gewesen, wenn mich draussen eine Gruppe Cheerleaderinnen empfangen hätte. Auch bescheidene Helden wollen gefeiert werden.
 

 

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