Musik: Eine Melodie aus alter Zeit berührt
im Advent die Herzen der Menschen. Niemand kann sich dem Zauber
dieses Chorals entziehen. Wer es dennoch versucht, dem gnade
Gott.

Der
Advent ist traditionsgemäss die Zeit des Innehaltens und des
überzogenen Girokontos. Die emotionale Basis dafür ist eine
uralte Weise, die sich auch in dieser Woche wie ein feuchtwarmer
Waschlappen auf das Gemüt legte: Da da da dadadadida daadadadadadada
didididada.
Wer nicht weiss, von welchem
Lied wir sprechen, bekommt eine kleine Hilfestellung und kann
die fehlenden Textstellen ergänzen: Last xxxxxxxxx, I gave you
my xxxxx / But the very next xxx you gave it xxxx. Die Auflösung
reichen wir irgendwann nach oder auch nicht.
Das
Lied heisst "Last Christmas" - so viel sei verraten
- und wurde der Legende nach von einem Volksschullehrer aus
Tirol komponiert, der, als er unter Einfluss von Zirbenschnaps
in eine Kerze blickte und neben der Jungfrau Maria auch einen
jungen Mann in einem sogenannten Norwegerpullover sah ... Weitere
Geisterbilder folgten, in denen rot gekleidete Frauen, schreckenerregende
Pelzmützen und Männer erschienen, deren Frisuren damals wie
heute alles für mögliche Gehaltene übertrafen.
Das
Lied trat einen beispielslosen Siegeszug in den Metropolen Europas
und Asiens an. Es existieren Varianten für grosses Orchester,
Blockflötenschulklassen, Deutschrap "Xmas / kein Palaver
/ Neunmillimeter / macht ratata / in dein Herz", Dieselprotestchor
und Akkuschrauber. Das Original muss laut einem Beschluss der
Kulturministerkonferenz in der Adventszeit jeden Tag 15-mal
in allen öffentlich-rechtlichen Radiostationen abgespielt werden.
Auf den Weihnachtsmärkten wird es vom örtlichen Posaunenchor
in dem Moment angestimmt, wenn der einmiilionste Liter Glühwein
an die Besucher abgegeben worden ist.
Seine
volle Wirkung erntfaltet es aber erst nach einer sogenannten
Endlosschleife. Kenner, die es vom ersten Advent an bis weit
nach Heiligabend ununterbrochen auf einem gut abgeschirmten
Kopfhörer abspielten, berichteten von mystischen Nahtot-Erfahrungen.
Sie erblickten das Jesus-Kind, meist in Gestalt eines Dessousmodels,
und verspürten den Drang, den vorbeihetzenden Amazon-Boten zu
umarmen. Sie gerieten allzu schnell in den vorweihnachtlichen
Rausch, der von Kirchen, Einzelhändlern und Politikern aus merkantilen
Gründen und wegen des gesellschaftlichen Zusammenhalt dringend
gefordert wird.

Allerdings
regt sich auch Kritik. Jedes Jahr verschulden sich arglose Hörer
für Weihnachtsgeschenke, bandeln zügellos mit dem anderen oder
gleichen Geschlecht an und mieten teure Schweizer Alpenchalets.
Alles in der Annahme, es handelte sich - wie in dem Lied beschworen
- um das letzte offizielle Weihnachtsfest. Fassungslos stellen
sie fest, dass ein Jahr später dieselbe Musik durch die Fussgängerzonen
schwappt und alles von vorne beginnt. Viele ertränkten sich
angesichts ihrer aussichtslosen Lage in einem Glühweinkessel.
Forderungen, das Lied zu verbieten, bleiben aber erfolglos.
Allerdings
entdeckten Musikwissenschaftler bei Ausgrabungen in Tirol einen
Abschiedsbrief des Komponisten, in dem er sich für die möglichen
Folgen seiner Komposition entschuldigte. Er habe das alles nicht
gewollt.
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