Nur fliegen ist noch schöner. E-Biker am Berg
sind einfach unschlagbar. Und zurück ins Tal geht's mit der
Bergbahn.

Zum
Grauen aller Echtradler erobern E-Biker nun auch noch die Berge.
Aber es gibt eine Lösung.
Radfahren
soll Spass machen, hört man immer wieder. So ein Unsinn. Man
kennt das ja. Zwei Männer auf Rädern, ein Berg - das Ergebnis
ist ein Rennen. Oft erbarmungslos gegen sich selbst, gegen die
Warnungen des Hausarztes und auch gegen jede Vernunft, die etwas
murmelt von Maximalpuls ist gleich 200 minus Lebensalter. Mag
sein. Doch solange noch ein Funken Leben im Mann ist, gilt die
alte Radlerregel: Lieber tot als Zweiter. Ohne diese genetische
Verankerung hätten wir früher nicht mal einen Feldhasen in die
Höhle geschleppt, geschweige denn ein Mammut. Gut, wahrscheinlich
wäre die Menschheit mit etwas weniger testosteronschwangeren
Gehabe einiges erspart geblieben. Aber beim Radfahren hat Sanftmut
keinen Platz.
Wenn es blöd läuft, kann
einen die Lust an der Last in die nächste Notaufnahme bringen,
aber sie ist wenigstens fair. Männer, Räder, Berg, Aus. Gut
- manche Radler sind ein wenig schwerer als andere, aber das
Plus an Unterhautfettgewebe kann man mit sündhaft teuren, federleichten
Hightech-Möhren mildern. Die Lebensjahre zählen auch nicht,
es gibt keine alten Radler, sondern nur gute oder schlechte.
So soll es sein, aber so ist es nicht mehr. Wir sind nicht mehr
allein, die E-Biker übernehmen die Regie. Leider nicht in betreuten
Parks für Sattel-Softies, sondern mitten im Wald und selbst
an steilen Trails hochalpin. Der Berg ruft nicht mehr, er stromt.
Auffahrt
zur Bloch-Hütte in den Dolomiten. Schmale Kiestrails durch grüne
Matten, manchmal auch durch Fels. Es ist recht steil, der Tacho
pendelt zwischen fünf und sieben Sachen, das Herz schlägt im
Hals, Schweiss brennt in den Augen, es sind noch gut 300 Höhenmeter.
Also rein ins Bikermantra: Treten - Atmen - Treten - Atmen.
Plötzlich schrillt eine Klingel. Gut, denkt man, kurz vor dem
Tod können einem die Sinne einen Streich spielen, aber auf einmal
schieben sich, ach was, schweben E-Biker vorbei. Aufgeräumte
Frauen udn Männer zwischen Best Ager und Frührentner. Bunte
Multifunktionskleidung, Trapperhüte, Tennisschuhe. Die Meute
unterhält sich, nickt uns huldvoll zu, eine fröhliche Frau hat
nur eine Hand am Lenker, mit der anderen fotografiert sie uns.
Wahrscheinlich whatsappt sie das nach Hause und schreibt drunter:
Schaut mal, Öhis.
Kontern ist sinnlos.
Und trotzdem ... 15 Tritte vielleicht, dann ist Schicht. Kurz
kehrt Ruhe ein, dann surrt die nächste Gruppe vorbei. Man hört
Sätze des Grauens wie "Ich habe noch 50 Prozent, ich schalte
jetzt auf Turbo". Und dann brettert er los, dass der Kies
spritzt, Wenn wir auf der Hütte sind, werden die besten Plätze
auf der Terrasse belegt sein, ganz sicher. Nun gut, es waren
dann doch noch einige frei, aber da sitzen jetzt Menschen um
einen herum, die früher maximal mit der Bergbahn hier heraufgekommen
wären. Oder mit dem Heli. "Ist das nicht anstrengend?",
fragt eine Frau und deutet auf das motorlose Bike. Lächeln bis
zum Ohr und lügen. "Nur ein bisschen." Die Meute trinkt
Hefeweizen und lädt an der speziellen Station der Hütte (!!!)
Akku. Wir planen bei Wasser und Rotwein (gut fürs Blut) den
Konter. Abwärts gibt's Saures, die schweren E-Bikes müssen schliesslich
vor den Kehren deutlich früher bremsen. Ha.
Es
wird nichts draus, weil die E-Biker nur ein paar Hundert Meter
über sanft fallende Almen rollen und dann mitsamt ihrem Geraffel
in die Bergbahn steigen. Rauf mit dem Rad, runter mit der Bahn
- die Welt steht kopf. Und die Schlacht ist verloren. Wir, die
wir bei Hitparaden Steppenwolf oder U.F.O. wählen und Muskelkater
als Ehre empfinden, sterben genauso aus wie Räder ohne Motor.
Steigungen, die einst als Ritterschlag für Wade und Herz galten
und deren Namen mit Ehrfurcht in der Stimme ausgesprochen wurden,
rotzt man heute mit einer einzigen Batterieladung im 18er-Schritt
rauf. Neulich raste einer auf 2000 Meter Höhe mit Kinderanhänger
vorbei, Der Kleine lachte, schwenkte ein Fähnchen. Will man
da noch länger leben?
Es hilft nichts,
man muss den Feind ins Auge sehen. Klar, wenn man so ein E-Bike
mietet, muss das geheim bleiben. Faschingperücke, Klebeschnauzer
und dann rein in den Berg. Das Ding geht ab wie ein nervöses
Moped. Der Atem bleibt trotzdem flach, der Berg wirkt plötzlich
so - wie soll ich sagen? - eben. So was darf doch keinen Spass
machen. Tut es aber dann doch, verdammt noch mal. Und auch der
säuerliche Selbstekel löst sich mit jedem Kilometer immer mehr
auf. Rechts tauchen schwer tretende Echtradler auf. Nicht gut.
Blick starr nach links. Scham steigt auf, trotzdem volle Latte
vorbei. "Ist das erlaubt?" ruft ein entnervter Motorloser
aus feuerrotem Gesicht. Sieht ganz so aus. Es wird nicht mehr
zu verhindern sein - die Berge werden durch E zum Radrevier
für alle.
Zum Glück gibt es eine Lösung,
die den Genen hilft. Wenn man sie nicht los wird, muss man sie
wenigstens abhängen. Dazu reicht ein halbes km/h mehr treten,
als der Motor hilft. Also 25,5. Das ist zwar mit so einem schweren
Ding hart - aber so soll es ja auch sein.
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