Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. Oktober 2019)
 
In jedem steckt ein Wunderkind
 

Dinge der Woche: Sie denken bei Mozart zuerst an eine Süssware aus Schokolade, Pistazien und Nugat? Dann sind Sie hier goldrichtig und dürfen sich, wenn's sein muss, sogar kugeln.

   In Zeiten wie diesen, da junge Menschen auf die Strasse gehen, um uns alten Umweltschweinen den Marsch zu blasen, wird man zwangsläufig auf die eigene Kindheit zurückgeworfen. Hand aufs Herz, wissen Sie noch, was Sie als Heranwachsender getan haben, sagen wir mal im Alter von acht Jahren?



   Also ich weiss nicht, was Sie getan haben. Ich weiss ja auch nicht mehr, was ich getan habe. Aber ich weiss seit ein paar Tagen, dass Mozart im Alter von acht Jahren seine erste Sinfonie schrieb, Es-Dur KV 16, wenn Sie es ganz genau wissen wollen. An einem leicht regnerischen Sonntagvormittag habe ich mir das Werk im Beethoven-Saal der Stuttgarter Liederhalle reingepfiffen - und das war schon befremdlich. Da spielen Musiker des Staatsorchesters unter der Leitung von Maestro Cornelius Meister mit grosser Ernsthaftigkeit (und dem Anschein nach sogar mit Feuereifer) das, was einem achtjährigen Rotzlöffel vor 255 Jahren eingefallen ist.

   Okay, Rotzlöffel trifft es vielleicht nicht ganz. Mozart war damals bereits ein Wunderkind und samt Schwester Nannerl unter elterlicher Aufsicht auf Europatour. Wobei, unter uns gesagt, der Typ hatte auch wahnsinnig Dusel. Hätte es damals 1764 schon eine Playstation gegeben, das Wolferl hätte seine Winderkind-Karriere an die Wand gefahren, noch bevor sie richtig in Fahrt gekommen war.

   Aber man muss natürlich froh sein, dass es nicht so kam. Zum einen hätte Falco dann in den 80er Jahren des vergangenen Jahrhunderts nicht "Rock me Amadeus" rappen können. Zum anderen hätte ich in der Pause auf der Herrentoilette des schönen Konzerthauses niemals folgenden Satz vernommen: "Da hatten die Flöten aber gewaltig zu tun." Ich habe im Laufe meines Lebens schon viele bemerkenswerte Sätze auf Klos gehört, vielleicht auch welche, in denen Blasinstrumente vorkamen, aber noch nie eine solche Begeisterungsbekundung. So viel freudige Erregung ist mir zuletzt unter der Dusche des Leuze-Bades begegnet, als sich drei hochgewachsene, gut aussehende Migranten über die beste Methode der Körperenthaarung ausgetauscht haben.

   Was übrigens den Wunderkind-Nachschub anbelangt, für den ist gesorgt. Im hinteren Teil des Beethoven-Saals sass eine junge Familie mit einem männlichen Säugling. Der junge Mann schien bei Mozart andächtig zu lauschen, wirkte bei den Werken der Herren Berg und Mahler aber bisweilen unkonzentriert. Ich verwette meine Vuvuzela darauf, dass der Sprössling spätestens in drei Jahren auf Welttournee geht.



   Ach so, nach gründlicher Recherche nehme ich das eingangs Behauptete zurück. Inzwischen weiss ich nämlich wieder, was ich im zarten Alter von acht Jahren getrieben habe. Es fiel mir beim Blick in mein Grundschulzeugnis ein. "Der Schüler hat erfolgreich an der Blockflöten-AG teilgenommen", ist da vermerkt. Ich will nicht angeben, aber das Mozart an einer Blockflöten-AG teilgenommen hat, dazu erfolgreich, wäre mir nicht bekannt. Vor diesem Hintergrund erlaube ich mir den Hinweis, dass nicht nur Mozart in seiner Kindheit musikalische Spuren hinterlassen hat.
 

 

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