Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (22. September 2019)
 
Schalker von der Nationalität her
 

Dinge der Woche: Was tun, wenn man gebildet erscheinen will, sich aber mehr für Fussball interessiert als für Kultur? Ganz einfach: Man schreibt über den Fussball-Kulturpreis.

   Ich hab diese Woche mal wieder Fussball geschaut und dabei Affenlaute von mir gegeben. Rassismus kann man das aber beim besten Willen nicht nennen, denn mir entfährt einfach automatisch ein "Uhuh!", wenn ein Spieler allein auf den Torhüter zuläuft oder wenn er - wie am Dienstag der Marco Reus in Dortmund - einen wichtigen Elfmeter verschiesst.



   Vergebene Grosschancen sind bei uns familienintern besonders dann ein Problem, wenn sie in der zweiten Halbzeit stattfinden, denn zu dem Zeitpunkt würde meine Frau gerne in Ruhe etwas lesen. Auf laute  Affenlaute meinerseits schickt sie mir aus dem Schlafzimmer eine unfreundliche whatsapp auf die Couch. Für sie ist das Ganze ein weiterer Beweis dafür, wie primitiv dieser Sport ist.

   Nun bin ich in der Tat ein Banause, habe mich aber erst kürzlich einer Führung durch eine Kunstausstellung unterzogen. Die - äh - Führerin wirkte kulturell sehr gebildet und brachte fast jedes Ausstellungsstück, sei es auch jahrzehntealt, mit dem Flüchtlingsthema in Verbindung. Bei einem Objekt mit Schuhen entfuhr ihr dann die These, dass Flüchtlinge ja oft barfuss unterwegs seien. Da merkte ich, das auch die Kulturszene von billigen Klischees lebt, und war beruhigt.

   Trotzdem steht man, wenn man sich mehr für Fussball als für Kunst interessiert, ständig unter Rechtfertigungsdruck. Nur gut, dass vergangenen Dienstag die Meldung über den deutschen Fussball-Kulturpreis die Runde machte, der am 25. Oktober verliehen werden soll. Ich wusste bis dahin nichts von so einem Preis. Das kann daran liegen, dass ich bei Fussballspielen stets die Halbzeitanalyse schwänze.

   Apropo Schwänze: Der Preis ist für den besten Spruch gedacht. Da es sich aber bei Fussball um Familienunterhaltung handelt, dürfte es der nominierte Spruch von Imke Wübbenhorst nicht weit schaffen. Wübbenhorst hatte Ende 2018 in Cloppenburg als erste Frau den Trainerjob bei einer männlichen Oberliga-Mannschaft übernommen, was viele Reporter anlockte. Auf die Frage hin, ob sie eine Sirene auf dem Kopf tragen werde, damit ihre Spieler noch schnell eine Hose anziehen könnten, bevor sie in die Kabine komme, antwortete sie: "Ich bin Profi. Ich stelle nach Schwanzlänge auf."

   Grossartig. Auf dem Platz zog Wübbenhorst mit dieser Taktik allerdings derart den Kürzeren, dass ihre Mannschaft am Ende in die Landesliga abstieg.



   Flotte Sprüche garantieren eben keine Erfolge, Vaterfreude aber auch nicht. Der Wolfsburger Fussballer Renato Steffen brachte folgende Sätze zur Welt, als er nach seinem ersten Bundesliga-Tor gefragt wurde, ob die Geburt seines Sohnes seine Leistung beeinflusst habe: "Das kann schon einen Schub geben. Aber ich kann ja jetzt nicht jede Woche ein Kind bekommen. Ich muss probieren, das anders zu kompensieren."

   Da Kultur aber heutzutage politisch korrekt sein muss, dürfte am Ende folgender Spruch des Bayern-Profis Leon Goretzka das Rennen machen: "Ich bin ein Kind des Ruhrgebiets. Da antwortet man auf die Frage der Nationalität mit Schalke, Dortmund oder Bochum." Ja, das klingt nach Kultur. Ein Flüchtling sollte den Preis überreichen, am besten barfuss.
 

 

Zurück