Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (15. September 2019)
 
Tresore stehen hoch im Kurs
 

Dinge der Woche: Wenn man für sein Geld keine Zinsen kriegt, bekommen Branchen Oberwasser, die ein Schattendasein führen. Dies sollte man auch bei der Partnersuche beherzigen.

   Okay, ich spiele regelmässig im Lotto. Der Gedanke, den Rest meines Daseins als Millionär zu verbringen, ist mir nicht unangenehm. Aber eigentlich habe ich mich nie sonderlich für Gelddinge interessiert. Milliardär wäre mir zu unübersichtlich. Als Milliardär blinken in den Augen deines Steuerberaters Dollarzeichen auf. Er überedet dich ständig, Schriftstücke zu unterzeichnen, von deren Inhalt du keinen Schimmer hast. Irgendwann findest du dich in einem Privatjet wieder mit einem Flugziel: Dritte-Welt-Land, das kein Auslieferungsabkommen mit der Bundesrepublik Deutschland hat.



   Ideal fände ich es, würde sich das Millionenvermögen im unteren zweistelligen Bereich bewegen. Mir würde das genügen. Nur noch Kolumnen schreiben, wenn man wirklich etwas auf dem Herzen hat und nicht, weil der Dienstplan das verlangt, das wäre ein Gewinn. Auch Sie, liebe Leser, würden davon profitieren.

   Ich jedenfalls käme nie auf den Gedanken, mein bisschen Erspartes mittels Börsenspekulationen zu vermehren. Die Kohle muss halt irgendwie langen, damit man über die Runden kommt und sich hin und wieder einen Schwarzwälderbecher mit einem Schuss Kirschwasser extra leisten kann.

   Wiewohl ich also jedes Mal Wikipedia bemühen muss, wenn ich meinen Kindern den Unterschied zwischen Brutto und Netto erklären soll, wage ich in Wirtschaftsdingen eine Prognose. Der Mann der Zukunft ist der Tresorfabrikant. Nämliches gilt für Tresorfabrikantin, wobei die selbstverständlich die Frau der Zukunft ist. Im Grunde liegt der Fall glasklar. Wenn die Leute keine Zinsen mehr für ihr Erspartes auf der Bank bekommen, ja sogar Strafzinsen zahlen sollen, werden sie ihre Kohle abheben und daheim bunkern. Die Dummen und die Gutgläubigen verstecken die Scheine unter der Matratze, die Klugen investieren in einen Tresor.

   Wie es üblich in der Wirtschaft ist, wenn eine Branche boomt, zieht das einen ganzen Rattenschwanz nach sich. Die steigende Zahl der Tresore wird auch einen Boom in der Schweissbrennerindustrie auslösen. Und wenn die Innungen behaupten, dass das Handwerk auch in Krisenzeiten goldenen Boden hat, dann sind damit unausgesprochen zugleich die Panzerknacker gemeint. Im Grunde folgt die Wirtschaft einem Naturgesetz, Wenn eine Art verschwindet, nimmt eine andere ihren Platz ein.



   Dieser Text richtet sich nicht nur an Spekulanten, sondern auch an Menschen, die auf dem Heiratsmarkt nicht fündig wurden. Verstehen Sie mich bitte nicht falsch. Ich will niemanden drängen, aber wenn ich auf Brautschau wäre, ich würde in Zeiten wie in diesen Tagen keine Tresorfabrikantentochter von der Bettkante stossen. Geschweige denn eine Erbin eines Schweissbrennerimperiums.

   Eines ist mir bei der ganzen Nullzinspolitik übrigens nach wie vor ein Rätsel. Wenn ich mein Girokonto überziehe, also den Dispo in Anspruch nehme, muss ich dafür Zinsen zahlen - und zwar nicht wenig. Dabei sollte meiner Logik zufolge meine Bank doch froh sein, dass ich ihr Geld unter die Leute bringe, bevor bei ihr Strafzinsen anfallen.
 

 

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