Deutsch ist eine erstklassige Sprache. Im
tiefen Sommerloch wütet ein Empörungssturm. Und Clemens Tönnies
und Boris Palmer brauchen dringend eine Redepause.
In
den 90er Jahren wurde im Bildungsbreich noch ganz anders gesprochen,
mitunter verständlicher und ohne vorgehaltene Hand. Man moralisierte
und inkludierte weniger, dafür forderte man wesentlich mehr.

Als
zum Beispiel in einem Hauptseminar der Politikwissenschaftlichen
Fakultät einer süddeutschen Universität ein junger Mann von
der Schwäbischen Alb seinen Vortrag zur Demokratiezufriedenheit
der Deutschen im breiten Älbler Dialekt vor versammeltem Plenum
aus aller Welt hielt, unterbrach ihn der Professor - ein überaus
freundlicher Mensch, gebürtig aus der Eifel - grinsend nach
etwa 15 Minuten, heiter in die Runde fragend: "Und, hat
irgendjemand ein einziges Wort verstanden?"
Alle
schüttelten die Köpfe, wobei es weder um Inhalt noch um Lautstärke
ging. "Sehen Sie, mir geht es so wie Ihnen", sagte
der Professor und erklärte daraufhin den anspruchsvollen Mundartvortrag
vorzeitig für beendet. Der Student wurde ohne Schein aus dem
Seminar nach Hause geschickt, mit der Aufgabe, bis zum nächsten
Mal seine Thesen in einem akzeptablen Deutsch, im Zweifelsfall
in englischer Sprache vorzutragen. Der Kommiltone war erst peinlich
berührt, dann sichtlich empört, schliesslich doch einsichtig.
Einige Wochen später erhielt er seinen Prüfungsnachweis für
einen allgemein verständlichen Redebeitrag.
Heute
würde man diesen renomierten Demokratieforscher auf Instagram
und Twitter möglicherweise als Schwabenhasser, als weissen alten
Mann und rechten Spinner brandmarken und anschliessend auf dem
Universitätsparkplatz zusammenschlagen. Und das nur, weil der
Hochschullehrer etwas Selbstverständliches eingefordert hat.
Engagement sowie Respekt vor anderen. So ähnlich ergeht es zur
Zeit dem CDU-Politiker Carsten Linnemann, der mitten im Sommerloch
einen linksblasenden Sturm der Entrüstung entfacht hat, nachdem
er die zweifelsohne oft mangelhaften Deutschkenntnisse von Migrantenkindern
thematisiert und die Einführung von Standardkenntnissen bei
der Einschulung gefordert hat.

Man
kann sich über die Details von Linnemanns Vorschlägen streiten
und sich ärgern, dass er nur Migrantenkinder und nicht auch
die steigende Anzahl von deutschen Erstklässlern erwähnt hat,
die ebenfalls von Haus aus kaum mehr richtig Deutsch sprechen
können. Viele Lehrer leiden im Stillen, jammern nur hinter vorgehaltener
Hand. Doch als sogenanntes Migrantenkind will man angesichts
der grassierenden Denk- und Debattierverbote bloss mit den Augen
rollen und in verständlichstem Schulschwäbisch gen Himmel rufen
"Herr, schmeiss Hirn ra!"
Nicht
jeder in diesem schönen und gastfreundlichen Land ist sofort
inklusionsfähig, beim besten Willen nicht. Trotzdem haben die
meisten eine zweite Chance verdient, um an ihrer Kommunikationsfähigkeit
und Ankommenskultur zu arbeiten. Das gilt für die Eltern mancher
Migrantenkinder genauso wie für alle Freibadbesucher, Clemens
Tönnies, Boris Palmer und all jene Dauerempörten, die das Klima
nur unnötig zusätzlich aufheizen. Wie wär es mit einer Extrarunde
zur Abkühlung? Oder einer Steuererhöhung auf zu viel Heuchelei?
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