Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (04. August 2019)
 
Cantuccini-Beige für Liberale
 

Für Politiker ist der Urlaub die schlimmste Zeit des Jahres. Nur Profis wissen mit den Fallstricken der sommerlichen Arbeitszeit umzugehen. Die anderen dagegen ... oh Gott!

   Das politische Berlin atmet durch und blinzelt in die Sonne. Hartgesottene Finanzexperten und Ausschussveteranen ziehen Latzhosen an und bewundern den Tanz der Hummeln im Regierungsviertel. Altlinke fühlen den Strand unter dem Pflaster und Abgeordnete der Rechtspartei sehen vor dem geistigen Auge die Weizenfelder in der Ukraine, die man damals fast ... vorbei.



   Man ist des ewigen Streits müde. Brexit, Bundeswehr, Diesel und Gesundheit verschwimmen im flirrenden Licht des Sonne zur Bedeutungslosigkeit. Es gibt andere Probleme. Der Urlaub - für den Berufspolitiker eine Zeit des Schreckens - verlangt planerisches Feingefühl. Man wird zur Freizeit gezwungen, darf aber nicht den Eindruck eines hemmungslosen Müssiggangs erwecken. Das Volk sucht nach Fehltritten und Verfehlungen. Eine falsch gemusterte Bermudahose oder ein zu teurer Rotwein auf dem Tisch verwandelt Beliebtheit in Hass.

   Profis wie der alerte FDP-Chef kennen diese ungeschriebenen Gesetze. Er hat längst seine 23 Unterhemden zusammengefaltet und auf einer Farbskala festgelegt, welche Gesichtsbräune er mit nach Hause bringen darf. Die Auswahl reicht von Cantuccini-Beige bis Luis-Trenker-Braun. Letzteres scheidet aus, denn der Anschein faulen Brutzelns in der Sonne ist bei den Liberalen imageschädlich. Angestrebt wird eine beiläufige Tönung, die auch die Assoziation von Laptop-Arbeit im Halbschatten zulässt.

   Von Braunfärbungen lässt sich die AfD nicht beeindrucken. Die meisten Entscheidungsträger haben ihre Wohnwagen bereits zu der üblichen Wagenburg zusammengeschoben und das Kaffeeservice ausgepackt. Nach nur zwei Protestdiesel-Tankstopps erreichte man Südtirol oder Kärnten und liess die Reichskriegsflagge im warmen Wind flattern.

   Die Grünen wollen ihren ökologischen Fussabdruck auf die Grösse einer Zikade schrumpfen lassen. Der melancholisch-virile Parteichef plant deshalb eine Tour mit dem Lastenfahrrad durch Deutschland. Freiwillige dürfen ihn einige Kilometer lang fahren und haben Anspruch auf einen treuherzigen Augenaufschlag und teilnehmenden Zuhören. Es liegen bereits zwei Millionen Anmeldungen vor.



   Die neue Verteidigungsministerin dagegen zeigt Flagge und fährt mit einem Bundeswehr-Wohnmobil vom Typ Ozelot die Saarschleife entlang. Dort will sie noch einmal alle 35 Ministerien besuchen, die sie bisher geleitet hat. Spezialisten der Truppe arbeiten daran, das Saarland mittels Satelliten ausfindig zu machen. Falls man versehentlich französischen Boden befahre, werde das Fahrzeug kontrolliert gesprengt, um diplomatische Verwicklungen zu vermeiden.

   Experten bezweifeln angesichts dieser Pläne, ob Politiker überhaupt Urlaub machen sollten. Sie seien dem nicht gewachsen, planschen mit den falschen Frauen in den falschen Pools, versenken dort versehentlich ihr Handy oder Faxgerät, stolpern beim Wandern und füttern Tiere, die unter Artenschutz stehen, mit den Resten ihres Früchstücksbüffets. Kurz, sie benähmen sich wie jeder andere Urlauber auch. Ausserdem müssten sie sich bis Weihnachten vom Urlaub erholen, was das Land politisch lähme.
 

 

Zurück