Die Hitze macht Menschen aggressiv. Manche
schrecken in diesen Tagen nicht einmal vor Gewalt gegen Lebensmittel
zurück.
Alles fing damit an, dass ich
eine Süsskartoffel kaufen sollte. "Kauf doch bitte eine
Süsskartoffel", sagte meine Frau, als ich mich auf den
Weg zum Supermarkt machte. Zum besseren Verständnis: Ich bin
der bei uns in der Familie, der die Lebensmittelvorräte auffüllt.
Meine Frau geht nur in den Supermarkt, um spontane Bedürnisse
zu befriedigen. "Lustkäufe" nenne ich das.

"Warum
soll ich eine Süsskartoffel kaufen?", fragte ich. "Eine
Süsskartoffel kann man immer gebrauchen", sagte sie. Ich
dachte, das ist doch eine glatte Lüge. Mein ganzes Leben bin
ich wunderbar ohne Süsskartoffeln klargekommen. Gäbe es meine
Frau nicht, wüsste ich noch nicht einmal, wie so eine Süsskartoffel
aussieht. Aber gut, sagen wir mal nichts.
Es
lohnt sich nicht, wegen einer Süsskartoffel zu streiten. So
eine Ehe ist ein gebrechliches Gebilde. Aber ich wusste natürlich,
wie das mit der Süsskartoffel ausgehen würde. Ich wusste es,
ich wusste es! Und ich hasse es, Recht zu haben.
Diese
Hitze macht einen aggressiv, ist es nicht nachgewiesen, dass
es bei steigenden Temperaturen mehr Mord und Totschlag gibt?
Unterm Strich sei die Datenlage nicht eindeutig, sagte der Konfliktforscher
Andreas Zick unlängst in der "Welt". Dass Hitze einen
Effekt habe, sei aber unumstritten. Aber es sei eher ein verstärkender
Faktor, irgendetwas müsse bereits vorhanden sei.
Ach
nee! Diese Forscher! Wer hat denn je etwas anderes behauptet?
Mannomann. Wo war ich? Ach ja, Hitze und Süsskartoffeln. Folgendes
könnten Klimaschützer auch in ihr Klagelied mit aufnehmen: Die
Erderwärmung macht uns nicht nur aggressiver, die Lebensmittel
gehen auch schneller kaputt, zumindestens wenn sie auf einem
Küchentisch gelagert werden.
Womit
ich schon angedeutet habe, wo die Süsskartoffel letztlich landete.
Sie lag auf einem Tischchen auf dem Küchenbalkon. Mal lag sie
quer, mal lag sie längs, aber immer lag sie da und nie nie wurde
sie benutzt, angeknabbert oder vielleicht sogar gegessen. Meine
Frau gab die Existenz dieser Süsskartoffel womöglich ein gutes
Gefühl, denn so eine Süsskartoffel kann man ja immer mal brauchen.
Ich hingegen fragte mich in dem Zusammenhang nur: Wozu?

Es
gibt Lebensmittel, mit denen ich deutlich mehr Schwierigkeiten
habe. Rote Beete kann ich nicht mal sehen, geschweige riechen.
Und bei den langen Makkaroni frage ich mich immer, wer die essen
kann, ohne sich die Kleidung vollzuspritzen. Auch wenn sich
die Dinger ganz gut als Trinkhalme eignen, ich will keine Makkaroni
in meinem Haus haben. Makkaroni oder ich!
Meine
Frau und ich benutzen inzwischen verschiedene Kaffeemaschinen,
so etwas kann im Laufe einer langen Ehe schon mal passieren.
Meine Maschine steht auf dem Küchenbalkon. Eines Morgens ist
es dann passiert. Ich nähere mich mit einem Löffel Zucker meiner
Kaffeetasse, doch auf dem Weg dahin ist die Süsskartoffel im
Weg. Der Löffel kippt, der Zucker rieselt, ich flippe aus, schnappe
die Süsskartoffel und breche das kleine Stück ab, das mir im
Weg war. Dann fliegt die Süsskartoffel ins Gemüsefach des Kühlschranks.
Und da liegt sie noch immer.
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