Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Juli 2019)
 
Vorsicht, bissige Gurke!
 

Dinge der Woche: Gemüse gehört ins Supermarktregal, aber keinesfalls in den heimischen Garten. Und dort schon gar nicht ins Hochbeet. Vom Überlebenskampf zwischen den Rabatten.

   Als junger, hoffnungsvoller Mensch war ich entschlossen, den Kriegsdienst an der Waffe zu verweigern. Aber die BRD, wie wir Widerständler zu sagen pflegten, liess mich nicht verweigern. Tauglichkeitsstufe fünf.  Zivildienst ade! Damit bist du raus aus dem Spiel. Um die Tragweite der Entscheidung zu verdeutlichen: Wenn einem Auto vom TÜV Tauglichkeitsstufe fünf bescheinigt wird, darf es nicht mal mehr vom Hof rollen.



   Ziemlich genau 40 Jahre nach dem Verweigerungsfiasko bekommt besagter Typ mit dem Satz "Kannst du mal eine Gurke aus dem Garten holen?" eine Gartenschere in die Hand gedrückt. Mag sein, dass in dem Satz auch ein Bitte vorkam. Aber das macht den Kohl auch nicht fett.

   Verstehen Sie mich jetzt bitte nicht falsch, ich gehöre zu der Sorte Mensch, die klaglos den Müll runterbringt und schon deshalb immer wieder vom Zigarettenholen zurückgekehrt ist, weil ihm unterwegs einfiel, dass er Nichtraucher ist. Aber einem ehemaligen Pazifisten mit einer Gartenschere auf Gurkenjagd zu schicken! Das sind so Momente, in denen in einem Mann Zweifel aufkommen, ob Frauen wirklich zu so etwas wie Empathie fähig sind.

   Gut, man will ja wegen so einer blöden Salatgurke keinen Streit vom Zaun brechen. Also latscht man, bis an die Zähne bewaffnet, los - um auf halbem Weg wieder kehrtzumachen. Wo in dieser verdammten grünen Wildnis namens Garten hat sich die Gurke eigentlich versteckt? An der Stelle sollte ich einwerfen, dass ich vor der menschenverachtenden Ausmusterung in der gymnasialen Oberstufe einen Leistungskurs in Biologie bestanden habe. Gurken gehörten nicht zum Lehrplan, was ich im Nachhinein bedauere.

   Die Antwort auf die Frage, wo sich die Gurke versteckt habe, lautete "Im Hochbeet, vorne links." Ein niederschmetternder Befund, schliesslich hatte ich beim Bau des Hochbeets Hand mit angelegt. Nicht aus freien Stücken, aber das ändert am Grundsatz nichts daran, dass ich für das, was nun folgen sollte, mitverantwortlich bin. Ich gehöre zur Tätergeneration.

   Doch der Reihe nach. Wussten Sie, dass Gurken bestens getarnt unter gewaltigen Gurkenblättern lauern? Es hat ewig gedauert, bis ich die Gurke in einem Wust von Grün überhaupt ausmachen konnte. Auch wenn ich mich mit Kriegskunst nie beschäftigt habe, es kann nicht anders sein, als dass die gemeine Salatgurke Vorbild für den Tarnkappenbomber war.



   Wussten Sie ausserdem, dass Salatgurkenblätter am Rand messerscharf und mit feinen Stacheln übersät sind? Ich weiss es inzwischen, und als ich Tags darauf mit zerschundenen Unterarmen ins Büro kam, fragte mich ein Kollege, ob meinem Tätowierer die Nadel durchgegangen wäre. Der Herr Kollege kann von Glück sagen, dass ich die Gartenschere nicht mehr am Mann trug.

   Jedes Ding hat seinen Platz im Leben, da bildet die Salatgurke keine Ausnahme. Im Garten hat sie nichts verloren, sie gehört ins Supermarktregal. Dort wird geerntet. Ohne die Anwendung von Gewalt. Das Schlusswort gebührt John Lennon: "Mag sein, ich bin ein Träumer. Aber ich bin nicht der einzige!"
 

 

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