Die Deutschen müssen in Zeiten der Wirtschaftskrise
wieder lernen, richtig zu arbeiten und klaglos zu hungern. Nur
einer nicht.

Düstere
Menetekel am Horizont: In Bayern wird ein neuer Kreisverkehr
doch nicht - wie geplant - aus Marmor gebaut. In Dresden serviert
man eine Pizza Vierjahreszeiten ohne Herbst und Winter. In Frankfurt
trägt ein Börsenmakler eine Jogginghose bei der Arbeit. In den
Autohäusern blickt man melancholisch auf die Felgen unverkäuflicher
Modelle, die sich genauso eintrüben wie die wirtschaftliche
Lage. An den Schulen steht das Thema Hunger auf dem Lehrplan.
Doch die hohläugigen Kinder starren nur teilnahmslos vor sich
hin und ritzen die Konturen eines Schokomuffins in die Tische.
Martin Walsers 376. Roman trägt den Titel "Unteressen",
Netflix startet eine neue Serie mit dem Titel "The Fridge"
(es geht irgendwie um leere Kühlschränke und Kannibalismus).
Im Ruhrgebiet nimmt ein entlassener Buchhalter eine Familie
als Geisel und verlangt im Austausch einen "All-you-can-eat"-Gutschein
fürs China-Restaurant. Eine 60-Cent-Jeans bei Primark kostet
schon einen Tag später inflationäre 2500 Euro. Bankkunden essen
ihr Sparbuch auf, bevor das Guthaben den letzten Nährwert verliert.
Die
Menschen sind von der lange herbeigeredeten Wirtschaftskrise
voll erwischt worden. An üppige Kost und hohe Blutfettwerte
gewöhnt, schleichen sie jetzt gierig um eine einzelne Erbse
auf dem Teller herum. Forscher wittern die metallische Stimmung
einer baldigen Revolution, im Kanzleramt geht um 9 Uhr das Licht
aus. Zwar helfen alte Freunde, Griechenland und Nordkorea schicken
Flugzeuge mit Hilfslieferungen, die allerdings kaum, dass sie
in Tempelhof gelandet sind, von dortigen kriminellen Clans geplündert
werden.
Was tun? Man blickt mit zusammengekniffenen
Augen nach China, wo gearbeitet und geforscht wird, dass die
Schwarte kracht. Die grosse Koalition verabschiedet deswegen
ein Urlaubsanpassungsgesetz "Schön und nachhaltiger Urlauben",
mit dem Unternehmen ihre Angestellten vier Wochen im Jahr nach
Shenzhen schicken können. Dort müssen sie 18 Stunden täglich
Smartphones zusammenlöten und sich danach genetisch ausweiden
lassen. Zur Belohnung winkt dann abends ein kollektives Sattessen
mit trockenem Reis an üppiger Sojasosse. Diese Asien-Verschickung
ist als Weiterbildungsmassnahme steuerlich absetzbar.

Nur
der Wirtschaftsminister gibt sich zuversichtlich. Jetzt müsse
die Binnennachfrage gestärkt werden - er werde mit gutem Beispiel
vorangehen. Und tatsächlich, nach einer Talkrunde in der ARD
verschwindet sein Widerpart Kevin Kühnert spurlos. Er wisse
nichts über dessen Verbleib, so der Minister. Vorwürfe, er habe
den Juso-Chef nach einem Aperitif an der Hotelbar auf sein Zimmer
gelockt und aufgegessen, entbehre jeder rechtlichen Grundlage.
Seine antizyklische Politik orientiere sich vielmehr am Vorbild
des Wirtschaftskanzlers Schröder, der einst einen Gefolgsmann
aufgefordert hatte, ihm eine Flasche Bier zu holen. Millionen
Bürger taten es ihm gleich, kauften Bier und entfesselten das
zweite Wirtschaftswunder.
Er werde
zeigen, dass dieses Modell auch auf Rotwein, Kalbszunge und
andere Branchen anwendbar sei, so Altmaier. Deutschland müsse
sich wieder an die Weltspitze essen. Und tatsächlich: Ende der
Woche glühten in den ersten Pizzerien wieder die Hochöfen.
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