Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (12. Mai 2019)
 
Testament der Angst
 

Die Arten sterben aus. Die Einser-Abiturienten protestieren. Und die Viel-Ehe ist auch nicht mehr das, was sie einmal war. Wo soll das alles nur enden?

   Auch in dieser Woche ging es wieder einmal steil bergab mit dem Planeten Erde. In einem dramatisch klingenden Bericht der Vereinten Nationen war es zu lesen, dass rund eine Millionen Tier- und Pflanzenarten derzeit akut vom Aussterben bedroht seien - und damit mehr als jemals zuvor in der Menschheitsgeschichte. Nur wenige wussten, dass überhaupt so viele Arten noch unter uns weilen.



   Verantwortlich für den Rückgang der Artenvielfalt sei natürlich der grösste Bösewicht auf dem Planeten: Nein, nicht Kevin Kuhnert, wie viele meinen, sondern der Mensch im Allgemeinen. Und eventuell ist auch die Klimaufheizung in der SPD-Parteizentrale nach den jüngsten Umfragewerten nicht zu vernachlässigen. Ein Testament der Angst.

   Die besagte Studie hätte unter anderen Umständen und zu anderen Zeiten augenblicklich zu einer Massenpanik in der traditionell recht ängstlichen deutschen Bevölkerung ausgelöst und damit das Artensterben noch beschleunigt. Doch glücklicherweise können einige Millionen Erwachsene in diesem Land weder richtig lesen noch schreiben, weshalb sie unter dem Begriff der Biodiversität nichts schlimmes, sondern nur eine radikale Häkelgruppe der Berliner Grünen vermuten (elektrifizierte Impfgegner, feministische Spargelverächterinnen, und rudeltanzende Habeck-Groupies) - das ergab zumindestens irgendeine andere besorgniserregende Studie.

   Die meisten Mitbürger mit Leseschwäche sind nicht einmal Ausländer oder deutsche Einser-Abiturienten, was aber auch egal wäre. Denn die Hochschulreife ist wie die Gelbbauchunke, das Zwergfaultier, die deutsch-amerikanische Freundschaft oder auch die türkische Demokratie ebenfalls vom Aussterben bedroht.

   Seit Tagen beschweren sich landauf, landab angehende Einser-Abiturienten mit und ohne Biodiversiitätshintergrund über angeblich zu schwere Prüfungen im Fach Mathematik und initiieren im Internet Petitionen, die sie nur mit Mühe oder der Hilfe ihrer panisch-depressiven Eltern lesen können. Möglicherweise hätten die Kultusministerien angesichts der zeitintensiven freitäglichen Schülerstreiks zum Erhalt der Artenvielfalt die Lehrer anweisen sollen, in diesem Jahr selbst die Prüfungsbögen auszufüllen, um sie dann von den Schülern und deren besorgten Eltern korrigieren zu lassen. Was unmittelbar einleuchtet: Schliesslich sind Zweier-Abiturienten mittlerweise so selten anzutreffen wie Deutsche, die in einer glücklichen Vielehe leben.



   Stattdessen bestand eine Mathematik-Aufgabe darin, die riesige Schattenwurffläche unter dem funktionslosen Wirtschaftsminister mittels Integralrechnung zu bestimmen. Eigentlich ganz einfach. Man muss lediglich die gestiegene Popularitätswerte der Kanzlerin mit der Anzahl der abgeschriebenen Stellen in Franziska Giffeys Doktorarbeit multiplizieren und den Wert vom durchschnittlichen Quadratmeterpreis für eine sanierte Altbauwohnung in Berlin-Prenzlauer Berg abziehen. Doch bis so ein Einser-Abiturient auf das Ergebnis kommt, können schon mal ein Paar Arten aussterben. Da helfen dann auch ein Elterntaxi oder eine CO²-Steuer nicht mehr weiter.
 

 

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