Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (28. April 2019)
 
Bremst die Turbolader aus!
 

Der Ferienverkehr auf den Fernstrassen ist im vollen Gang und die Zeit reif, uns vor einem wunderbaren Weltenretter zu verneigen: Dem Mittelspurfahrer.

   Der arbeitsnehmende Teil der Menschheit fragt sich: Reicht es wirklich, freitags die Schule zu schwänzen, damit der Globus sich nicht die Kugel gibt? Bräuchte es nicht eine härtere Gangart, um dem Turbokapitalismus das Licht auszublasen und dem CO²-Ausstoss von Rindviechern und Kohlekraftwerken auf null zu drücken? Denn, Hand aufs Herz. Was hat es gebracht, dass das ganze Gros der Arbeitsnehmerschaft dank 35,64-Stunden-Woche den Freitag seit Jahrzehnten mehr oder weniger bestreikt? Eher nichts.



   Auf der Suche nach einem echten Heilsbringer und Entschleuniger lohnt sich ein Blick auf auf unsere Autobahnen. Bei ruhendem Verkehr ist er kaum zu erkennen. Aber sobald die Chose rollt, trennt sich der automobile Spreu vom Schöfferhofer Weizen (Achtung, dieser Text könnte eine Produktplazierung enthalten!), und dann sehen wir ihn, wie er Millionen von Vollgasfetischisten in die Eisen zwingt, auf dass die Bremsscheiben glühen wie die Brennstäbe eines französichen Kernkraftwerkes: Den Mittelspurfahrer.

   Wie lächerlich wirken da die Bemühungen der Deutschen Umwelthilfe, uns mit Blick auf Nordkorea ein Tempolimit aufzuschwatzen. Nur weil Kim Jong-un, der Oberbefehlshaber des örtlichen Verkehrsclub, den Laden mit dem Slogan "Freie Fahrt für unfreie Koreaner" am Laufen hält, soll der panzerfahrende deutsche SUV-Pilot den Fuss vom Gas nehmen? Da loben wir uns den Mittelspurfahrer. Der labert nicht herum oder beschäftigt Gerichte, der schafft einfach Fakten.

   Gerade auf längeren Strecken neigt der Automobilist zur Schläfrigkeit und so manche Fahrt hätte ihn in den Strassengraben geführt, wäre er nicht aufgetaucht - unvermittelt und gerne zu langsam. Mit Zornesröte im Gesicht ist man im Bruchteil von Sekunden putzmunter.

   So unübersehbar seine Wirkung ist, noch ist der Mittelspurfahrer für Verkehrpsychologen ein ungeklärtes Geheimnis. Warum ist er ums Verrecken selbst durch dichtes Auffahren, dem Einsatz der Lichthupe oder international gültiger Zeichensprache nicht dazu zu bewegen, die Mittelspur zu räumen? Will er uns wirklich nur ausbremsen und uns zum Nachdenken zwingen? Oder sind es politische Beweggründe, weshalb er sich dem deutschen Rechtsfahrgebot widersetzt?

   Unterstützung bekommt der Mittelspurfahrer neuerdings von unerwarteter Seite, von türkischen Hochzeitsgesellschaften, die mit ihrem hupenden, fahnenschwingenden Tross nicht nur innerorts Strassenkreuzungen blockieren, sondern immer öfters auch schon mal ganze Autobahnabschnitte lahmlegen. Auch die Beweggründe der Chauffeure mit orientalischen Mobilitätshintergründen mögen im Dunkeln liegen, aber was letztlich zählt, ist der Stau, das Innehalten, das Om.



   Abschliessend noch ein Hinweis an unsere Grünenpolitiker, für die Asphaltbänder des Teufels sind, sofern sie nicht für leere Linienbusse oder wenigstens fürs radelnde Volk reserviert wurden. Schon klar, der Ausbau von Strassen ist eure Sache nicht. Ihr seid eher auf Rückbau programmiert. Aber denkt daran: Bei nur zwei Fahrstreifen in eine Richtung wird der Mittelspurfahrer unsicher und neigt dazu, sich nach ganz links zu verziehen. Das Biotop, auf dem er sich entfalten kann, hat eben drei Spuren. Mindestens.
 

 

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