Der Ferienverkehr auf den Fernstrassen ist
im vollen Gang und die Zeit reif, uns vor einem wunderbaren
Weltenretter zu verneigen: Dem Mittelspurfahrer.
Der
arbeitsnehmende Teil der Menschheit fragt sich: Reicht es wirklich,
freitags die Schule zu schwänzen, damit der Globus sich nicht
die Kugel gibt? Bräuchte es nicht eine härtere Gangart, um dem
Turbokapitalismus das Licht auszublasen und dem CO²-Ausstoss
von Rindviechern und Kohlekraftwerken auf null zu drücken? Denn,
Hand aufs Herz. Was hat es gebracht, dass das ganze Gros der
Arbeitsnehmerschaft dank 35,64-Stunden-Woche den Freitag seit
Jahrzehnten mehr oder weniger bestreikt? Eher nichts.

Auf
der Suche nach einem echten Heilsbringer und Entschleuniger
lohnt sich ein Blick auf auf unsere Autobahnen. Bei ruhendem
Verkehr ist er kaum zu erkennen. Aber sobald die Chose rollt,
trennt sich der automobile Spreu vom Schöfferhofer Weizen (Achtung,
dieser Text könnte eine Produktplazierung enthalten!), und dann
sehen wir ihn, wie er Millionen von Vollgasfetischisten in die
Eisen zwingt, auf dass die Bremsscheiben glühen wie die Brennstäbe
eines französichen Kernkraftwerkes: Den Mittelspurfahrer.
Wie
lächerlich wirken da die Bemühungen der Deutschen Umwelthilfe,
uns mit Blick auf Nordkorea ein Tempolimit aufzuschwatzen. Nur
weil Kim Jong-un, der Oberbefehlshaber des örtlichen Verkehrsclub,
den Laden mit dem Slogan "Freie Fahrt für unfreie Koreaner"
am Laufen hält, soll der panzerfahrende deutsche SUV-Pilot den
Fuss vom Gas nehmen? Da loben wir uns den Mittelspurfahrer.
Der labert nicht herum oder beschäftigt Gerichte, der schafft
einfach Fakten.
Gerade auf längeren
Strecken neigt der Automobilist zur Schläfrigkeit und so manche
Fahrt hätte ihn in den Strassengraben geführt, wäre er nicht
aufgetaucht - unvermittelt und gerne zu langsam. Mit Zornesröte
im Gesicht ist man im Bruchteil von Sekunden putzmunter.
So
unübersehbar seine Wirkung ist, noch ist der Mittelspurfahrer
für Verkehrpsychologen ein ungeklärtes Geheimnis. Warum ist
er ums Verrecken selbst durch dichtes Auffahren, dem Einsatz
der Lichthupe oder international gültiger Zeichensprache nicht
dazu zu bewegen, die Mittelspur zu räumen? Will er uns wirklich
nur ausbremsen und uns zum Nachdenken zwingen? Oder sind es
politische Beweggründe, weshalb er sich dem deutschen Rechtsfahrgebot
widersetzt?
Unterstützung bekommt der
Mittelspurfahrer neuerdings von unerwarteter Seite, von türkischen
Hochzeitsgesellschaften, die mit ihrem hupenden, fahnenschwingenden
Tross nicht nur innerorts Strassenkreuzungen blockieren, sondern
immer öfters auch schon mal ganze Autobahnabschnitte lahmlegen.
Auch die Beweggründe der Chauffeure mit orientalischen Mobilitätshintergründen
mögen im Dunkeln liegen, aber was letztlich zählt, ist der Stau,
das Innehalten, das Om.

Abschliessend
noch ein Hinweis an unsere Grünenpolitiker, für die Asphaltbänder
des Teufels sind, sofern sie nicht für leere Linienbusse oder
wenigstens fürs radelnde Volk reserviert wurden. Schon klar,
der Ausbau von Strassen ist eure Sache nicht. Ihr seid eher
auf Rückbau programmiert. Aber denkt daran: Bei nur zwei Fahrstreifen
in eine Richtung wird der Mittelspurfahrer unsicher und neigt
dazu, sich nach ganz links zu verziehen. Das Biotop, auf dem
er sich entfalten kann, hat eben drei Spuren. Mindestens.
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