Denken wir in diesen närrischen Tagen doch
auch an jene lieben Mitbürger, die stets gut drauf sind, aber
an Fasnet nichts zu lachen haben.

Auf
einer Witzischkeitstabelle, die von Null bis Zehn reicht, würde
sich unser Mann eine Sieben geben, an besonders guten Tagen
auch eine Acht. Witze kann er sich zwar nur schlecht merken,
aber er ist immer auf der Suche nach einem Spruch, einer Pointe.
Manchmal
hilft ihm das, um eine kritische Situation zu entschärfen. Vielleicht
ist er auch nur harmoniesüchtig. Aber das ist sein Problem nicht,
sollen sich doch die anderen darüber den Kopf zerbrechen. Er
hat genug damit zu tun, nach dem nächsten Knaller Ausschau zu
halten. Schliesslich ist das Leben viel zu kurz, um es ungelacht
verstreichen zu lassen, behauptet er.
In
diesen Tagen aber ist er, der jederzeit eine grosse Klappe riskiert,
auffallend ruhig. Wer ihn darauf anspricht, der bekommt nur
zu hören, dass die fünfte die schlimmste Jahreszeit sei. Andere
hätten Heuschnupfen, er habe eben dieses Problem. Es mag Leute
geben, die mit Karneval oder der Fasnet nichts anfangen können.
Bei unserem Mann ist das mehr. Seine Gedanken sind gehemmt,
auch körperlich fühlt er sich unwohl.
Früher
musste er als Berichterstatter Faschingsveranstaltungen besuchen.
Dem Verlauf des Abends konnte er kaum folgen, weil ihm ein Programmtitel
des Humoristen Uli Keuler nicht aus dem Kopf ging: "Zuwiderhandelnde
werden von unseren Saalordnern geschunkelt." Das Absitzen
von Elferratsitzungen war eine Tortur. Das Schreiben darüber
noch mehr. Leichter wäre es ihm gefallen, was Heiteres über
einen Besuch in Guantanamo zu verfassen.
Jedes
Jahr bekommt unser Mann eine Einladung zu einer Karnevalveranstaltung
von Wirtschaftsflüchtlingen, also Rheinländern, die es nach
Stuttgart verschlagen hat. Sie nennen sich "Die Rheingeschmeckten".
Über den Namen kann er schmunzeln, aber hingehen will er nicht,
auch weil er weiss, dass seine Präsenz der Stimmung nicht gut
tun würde. Immerhin gibt er sich Mühe, sein Fernbleiben originell
zu begründen. Pest, Lepra, Cholera, so langsam aber stösst sein
Seuchenrepertoire an Grenzen.

Dabei
hat alles so schön begonnen. In jungen Jahren liefen daheim
in der Glotze die Rosenmontagumzüge. Wenn abends "Mainz
bleibt Mainz, wie es singt und lacht" kam, dürfte der kleine
Mann länger aufbleiben. Er mochte Ernst Neger, nicht nur wegen
des Namens. Später lernte er, dass es neben Neger noch einen
lustigen Dachdecker in Deutschland gibt: Erich Honecker. Aber
der hatte es nur zum Dachdeckergehilfen gebracht. Sein Herz
schlug eher für den Neger.
Wie aber
konnte es passieren, dass unser Mann eine regelrechte Karnevals-
und Fasnetsallergie entwickelte? Er kann sich die Sache nur
so erklären. Seine Mutter, eine patente Näherin, liess es sich
nicht nehmen, für ihn kunstvolle Verkleidungen zu fertigen.
Bestens in Erinnerung ist ihm ein Katzenkostüm. Und die Szene,
wie er damit in einer Turn- und Festhalle stand und sich hundeelend
fühlte. Um ihn herum lauter notdürftig als Cowboys und Indianer
zurechtgemachte Kinder, die ballerten. Zu gern hätte er auch
geballert. Hinterher überkam ihn, ohne auch nur einen Schluck
getrunken zu haben, einen fürchterlichen Katzenjammer.
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