Seit die gesundheitsfördernde Wirkung blauschwarzen
Qualms bewiesen ist, sind Dieselfahrer mit Warnweste die eigentlichen
Weltverbesserer.

Eine
neue Protestbewegung macht sich auf den langen Marsch durch
die Republik. Zusammengewürfelt aus allen Schichten der Bevölkerung
vereint die Teilnehmer ein einziges Ziel. Der Kampf gegen die
schleichende Enteignung, gegen die Öködiktatur und Bevormundung
durch eine selbstgefällige Kaste von grünen neureichen Nachhaltigskeits-Metropolisten,
die aus ihren von Lastenfahrrädern, Cupcakes und veganen Kitas
besiedelten Weltverbesserungsnischen heraus die ehrlichen, hart
arbeitenden Bürger umerziehen wollen.
Der
Protest ist kreativ. Bei Demonstrationen marschiert man nicht
nach vorne, sondern geht rückwärts. Damit zeigen die Rebellen
ihre Verbundenheit mit einer Zeit, in der wirllich alles besser
war. Eine Zeit, in der deutsche Tugenden wie Fleiss, Ingenieurstolz
und Gulasch-Kulinarik geschätzt wurden, in der man nicht genderte,
sondern Kinder zeugte.
Im Mittelpunkt
der Proteste steht das Herz der Deutschen, der Diesel. Er soll
weiter schlagen, so die Forderung. Unterstützt werden die Demonstrationen
von Wissenschaftlern, die mit glasklaren Formeln die gesundheitsfördende
Wirkung blauschwarzem Qualms dokumentieren. Danach ist es egal,
ob man 34 Zigaretten raucht oder den serienmässigen Dieselinhalator
eines modernen Premiumfahrzeugs benutzt. Beides führt zu einer
positiven Erweiterung der Realität - einem wohligen Machtempfinden
(Linke-Spur-Syndrom), gepaart allerdings mit dem Verlust der
Rechenfähigkeit (Pneumatologische Dyskalkulie). Letzteres, so
die Experten, sei normal. Im Hauptstrom von Zigaretten und Motoren
würden die meisten Kommastellen weggeblasen. Ohne Hilfe der
Sekretärin sei es unmöglich, sie wieder zusammen zukehren.

Doch
die Sekretärin ist mit einem Benziner durchgebrannt. Sie schert
sich nicht um Kommastellen, um die Tränen der erzwungenen Trennung
von Mensch und Maschine und um den erhöhten Blutdruck des ganzen
Landes. Der ist im gelben Bereich - ganz nach dem Vorbild Frankreichs.
Da alle Warnwesten vorschriftsgemäss in den Autos liegen, holen
die Wortführer der Proteste die seit Jahren unbenutzten Tüten
aus dem Keller. Beobachter sprechen deshalb von der Rebellion
als einer Bewegung der Gelbsäcke, die für die Freiheit der Anderslenkenden
kämpft. Die Politik versucht eifrig, sich dieses Momentum zunutze
zu machen. Man demonstriert krachende Volksnähe, streift Säcke,
Werkstattskittel oder Fantasieuniformen über, hakt sich bei
den Rebellen ein und schunkelt auf Demonstrationen zum Lied
der Freiheit. T-Shirts mit dem Slogan "Ich bin Deutscher
- ich zünde selbst" zeigen technologischen Pragmatismus
und luzides Nationalbewusstsein.
Es
ist keine Schande mehr, privat mit einem Diesel zusammen zu
leben, ihn zu pflegen, zu lieben und zu ehren. Shoppingsmalls
verkaufen Dieselparfüm mit einem Aroma von verschwitztem Lenkrad,
DIeselunterhosen und fein angedieselte Kartoffelchips. Diesel-Pistazieneis
und ein Sommerdrink namens Rudolf aus Wermut, Sellerie und Raststättenschnaps
benebeln alle Sinne in den Strassencafés. Wann das Land ausgedieselt
sein wird, weiss im Moment noch niemand.
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