Was war los 2018? Nun ja, es war vor allem
heiss. Nur wer seinen Flüssigkeitshaushalt auf das Niveau eines
Feuersalamanders reduzierte, kam durch.

War
das ein Jahr! Es begann wie immer: Vierschanzentournee, Schneeräumen,
nebelgraue Tristesse. Die Dreikönige der FDP befreiten das Volk
aus der würgenden Knechtschaft des Sozialstaats. Die Münchener
Sicherheitskonferenz endete mit einem einmütigen Appell aller
Staaten, tagsüber die Terassentür abzuschliessen. Es war lausig
kalt in Deutschland, aber da geschah es: Der Besitzer eines
Getränkemarktes in Niederbayern hatte eine Vision von ausgetrockneten
Feldern, Tierkadavern in sengender Sonne und Grillpartys ohne
Bier. Wahrscheinlich war er aber nur betrunken. Dennoch bestellte
er fünf zusätzliche Kisten Augustiner hell extra. Bekannte erklärten
ihn für verrückt. Doch niemand kann später sagen, er habe nichts
gewusst.
Nach Formierung der grossen
Koalition wurde in den Berliner Verhandlungsräumen durchgelüftet.
Es bildete sich eine atmosphärische Zusammenballung von Rechthaberei
und dem Odeur mumifizierter Volksparteien. Auch in Italien kam
es zu absonderlichen Wetterphänomenen. Gläubige einer Bittprozession
sahen fünf Sterne am Himmel, die ihnen den Weg aus der Realität
wiesen.
Im Mai verkaufte der niederbayerische
Getränkehändler den ersten Extrakasten Bier mit einem kleinen
Zuschlag an die örtliche Feuerwehr. Frauen in Saudi-Arabien
durften plötzlich Auto fahren, obwohl der Prophet zu verhindern
suchte, dass sie auch rückwärts einparken. In Singapur traf
der US-Präsident auf eine uniformierte Mittelstreckenrakete.
Zuvor hatte man sich Liebesbriefe geschrieben. Es wurde wärmer,
ja heiss. Die Nerven lagen blank, in München ermordete ein Reichsbürger
eine Drogeriefachverkäuferin, weil sie keine Kühlkompressen
mehr im Regal hatte.

Die
Erinnerung an den Sommer zerplatzt wie eine Asphaltblase. Da
ist ein Feld aus braunen Stummeln, ein verschwundenes Grün,
Bäume, die keinen Schatten mehr geben. Der niederbayerische
Getränkehändler erschiesst täglich bis zu zwölf durstige Plünderer.
Eine Kugel Eis zerschmilzt, noch ehe man das Wechselgeld in
der Hand hat. Alte weisse Männer locken unschuldige Mädchen
mit der Aussicht auf eine kalte Limonade in ihre Kellerbar.
Restaurants geben eisgekühlte Rindsrouladen aus. Handys flutschen
wie Goldfische aus den schweissnassen Händen ihrer Benutzer.
Im August ist nichts mehr im Fluss. Gewässer haben weniger Tiefgang
als eine Sendung mit Markus Lanz und trocknen dann irgendwann
aus. Sie geben ein Archiv aus Müll, verdrängten Erinnerungen,
gestohlenen Fahrrädern und dem ganzen Vogelschiss der deutschen
Geschichte frei. Der niederbayerische Getränkehändler verkaufte
seine beiden letzten Kisten Bier und wird damit zum reichsten
Mann Deutschlands.
Seit November füllt
sich Deutschland wieder auf. Ob der alte Pegel an Trunkenheit,
Fruchtbarkeit und Fleiss jemals wieder erreicht werden kann?
Immerhin weiss das ganze Land jetzt, wie man mit der Dürre umgeht.
Volkshochschulen lehren Regentänze, Trockenshampoos verkaufen
sich wie blöd. Wer Geld hat, zieht in eine Kläranlage um. Bald
wird die Sonne wieder ihr Vernichtungswerk beginnen. Wer zu
spät dagegen antrinkt, der ist verloren.
|