Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (23. Dezember 2018)
 
Oh du schmatzende
 

   Das Weihnachtsfest naht. Und mit ihm die leidliche Frage nach dem richtigen Rezept. Angela Merkel, Theresa May und Helene Fischer haben vorgekocht.

   Die Uhr tickt, der Baum steht, das Herz pumpt. Über den geschmückten Metropolen hängt ein Appetit anregender Nebel aus Zimtduft, Feinstaub und vergorenem Glühwein. Alles ist wie immer, die Menschen sehen rot, suchen Parkplätze zwischen Pollern, Absperrgittern und Betonsteinen der Weihnachtsmärkte und wünschen sich gegenseitig was.



   Denn die Adventzeit war wieder einmal eine einzige Kauf- und Kalorienschlacht. Der Festtagsbraten schlummert noch sanft in der Tiefkühltruhe, da schafft man es schon kaum mehr aus dem Sofa. Die Hosennähte ächzen wie die Weltbörsen, aus den Speckrollen bröseln eingeklemmte Vanillekipferl, die Integrationsbeauftragte verschickt Weihnachtsgrüsse ohne Lametta. Der eigene Body-Mass-Index übertrifft erstmalig das Brutto-Inlandsprodukt von Tadschikistan.

   Doch wie lässt sich diese Völlerei  noch überbieten? Damit die kommende Festtagsschlemmerei ein kulinarisches Glanzlicht wird, haben uns prominente Küchenprofis ihre besten Rezepte zu Weihnachten verraten. Die hochdekorierte Meisterwirtin Angela Merkel etwa hat in ihrem Berliner Gourmettempel ein spezielles Heilfastgericht für wertkonserative Gaumen vorgestellt.

   Die strenge Diät basiert auf heisser Luft, saisonellem Parteigemüse und einem grosskoalitionären Magerquark. In Merkels rhetorischen Vakuumverdampfer kommt nichts, was schwarz leuchtet, braun riecht, nach oben schwimmt  oder entfernt an Friedrich Merz oder Wolfgang Schäuble erinnert. Zu guter Letzt träufelt man in das laue Einerlei ein paar Tropfen eines alten, bitter gereiften CDU-Essigs. Was für ein Rache-Aroma! Zum Zähneknirschend gut.

   Und da wäre auch die für ihre neu interpretierten englischen Klassiker bekannte Meisterköchin Theresa May, die in London eine Peinlichkeit nach der anderen zusammen manscht. Die Britin verzichtet in ihrer menschlich eiskalten Schnellküche auf jegliche Menüfolge und Haushaltsdisziplin. Dieses Henkersfestmahl ist nichts für entgrenzte Vegetarier. In Mays nationalistischem Fleischwolf landen nämlich nostalgische Fish-and-Chips-Reste, eine populistische Vorstadtladung Schweiss und Ale, Millionen nervöse schottische Schafsmägen und europafreundliche Herzen sowie knotig geplapperte Kritikerzungen. Optisch erinnert die unverdauliche Masse an eine irische Grützwurst. Wer mag, kann fein geraspelte Brüsseler Fingernägel darüber streuen und hernach in seinem knurrenden Magen ein Purcell'sches Untergangsmotiv heraushören. Ein Gedicht.



   Eine ganz andere Herdphilosphie zelebrieren hingegen in diesem Jahr die unverzichtbaren Geschmacksverstärker jeder deutschen Gerüchteküche, Florian Silbereisen und Helene Fischer. Statt eines fetten, krustig gesungenen Schlagerbraten mit glänzendem Schenkelfleisch, tauben Ohren, erigierten Strähnchen und weiteren erotischen Knödelbeilagen empfehlen sie fürs romantische Dinner neuerdings eine medienwirksame Trennkost.

   Als Zwischengang gibt es eine dünne Buchstabensuppe für die gierigen Fans, gefolgt von einem fettreduzierten piéce de résistance: Ein Gockel mit Dreitagebart aus regionaler Haltung. Schon beim Zugucken läuft einem das Wasser im Schosse zusammen. Bon appétit!
 

 

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