Wer Reifenstapel in Brand
setzt, ist kein Freund der Umwelt. Wer die Schule schwänzt,
dagegen schon. Noch Fragen, Kinder, was ihr zur Rettung der
Welt tun müsst?
Tut mir leid, aber
ich kann nichts dafür. Immer, wenn am Anfang September beim
Aldi die ersten Spekulatius und Schokoweihnachtsmänner auftauchen,
werde ich von dem Zwang befallen, die Geschichte vom "Kleinen
grünen Tannenbaum" zu erzählen. Bisher ist es mir gelungen.
mich zu beherrschen, aber jetzt geht es nicht mehr.

"Kleiner
grüner Tannenbaum" war ein Theaterstück, in dem ich im
Grundschulalter die Hauptrolle spielen durfte, den Tannenbaum.
Als ich die Rolle angeboten bekam, war ich Feuer und Flamme,
was mit Blick auf die Beschaffenheit des Hauptdarstellers, nicht
frei von Risiko war. Die Begeisterung kühlte allerdings schnell
ab, als mir klar wurde, dass ich nur gerade darstehen und nichts
sagen durfte. Meine Grundschullehrerin Frau W. erklärte mir,
dass das Stück realistische Züge tragen soll. Da Tannen von
Natur aus eher schweigsam seien, gehe mein Wortanteil eher gegen
null.
Dennoch scheute ich mich nicht,
auch ein knappes halbes Jahrhundert später von einer tragenden
Rolle zu erzählen. Meine Mutter hatte in langen, kalten Winternächten
am Kachelofen an einem grünen Rollkragenpullover Tannenzweige
angenäht. Das Kostüm war eine Zumutung. Ich hasse Rollkragenpullover,
die Tannennadeln zwicken höllisch. Aber ich stand im Rampenlicht
einer Turn- und Festhalle meinen Baum.
Übertreibungen
liegen mir fern, dennoch würde ich die Strapazen, die ich auf
mich nehmen musste, mit dem Gewaltakt vergleichen, den sich
Robert De Niro aussetzte, als er sich in Windeseile 30 Kilo
Übergewicht anfuttern musste, um in "Wie ein wilder Stier"
den alternden Boxer Jake LaMotta spielen zu können. Nach wie
vor spreche ich im Zusammenhang mit dem "Kleinen grünen
Tannenbaum" von einer Traumrolle. Es gibt nicht viele Figuren
in der Theaterwelt, bei denen "hölzerne Darstellung"
als Auszeichnung gilt.
Auch wenn ich
keine Schauspiellaufbahn eingeschlagen habe, würde ich dennoch
behaupten, dass mich die Tannenbaumrolle auf das Leben vorbereitet
hat. Als Anfang der achtziger Jahre das Waldsterben die Schlagzeilen
bestimmte, fühlte ich mich persönlich bedroht und sprach in
langen Waldspaziergängen den verbliebenen Bäumen Mut zu. Da
der Schwarzwald noch immer steht, scheint mein persönliches
Unterfangen Erfolg gebracht zu haben.

Doch
damit nicht genug. Als Tannendarsteller a.D. fühle ich mich
selbstverständlich auch mit jenen pubertierenden Weltbürgern
verbunden, die in diesen Tagen das Klima retten wollen, indem
sie die Schule schwänzen. Eine namhafte Vertreterin der Bewegung,
die 15-jährige Greta Thunberg aus Schweden, durfte diese Woche
bei der Weltklimakonferenz im polnischen Kattowitz Fachleuten
und Politikern aus 200 Staaten ins Gewissen reden. Meine Generation
blieb dem Unterricht fern, weil sie keinen Bock hatte. Was würde
ich für einen Klassenbucheintrag "T.H. schwänzte den Unterricht
wg. Weltklima" geben.
Der Schülerprotest,
dessen bin ich mir sicher, wird nicht nur das öffentliche Bewustsein
ändern, sondern auch direkte Auswirkungen auf das Weltklima
haben. An Schulschwänzertagen bleibt das Elterntaxi im Carport.
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