Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (11. November 2018)
 
Dem Helfer ist nicht mehr zu helfen
 

   Die Welt wird komplizierter, das bekommen auch die Schreiber von heiter gemeinten Texten zu spüren. Sie sollten unbedingt auf korrekte Berufsbezeichnungen achten.

Was haben wir an dieser Stelle schon Pointen gedroschen auf Teufel komm heraus. Doch das Pointendreschen entbindet einen nicht von einer gewissen Sorgfaltspflicht. Und die hatte ich sträflichst vernachlässigt, weil ich in einem Text über einen Augenarztbesuch von einer "Sprechstundenhilfe" schrieb.



   Den Begriff "Sprechstundenhilfe" gibt es nicht, schreibt der Verband medizinischer Fachberufe. Korrekt heisst es Medizinische/r Fachangestellte/r (MFA). Darauf hin habe ich mir meine Glosse noch einmal angeschaut und anstelle "Sprechstundenhilfe" "Medizinische Fachangestellte" eingesetzt. Ich kann mir nicht helfen, aber das klingt dann blöd - als wollte ich mich über die Frau lustig machen, was allerdings nicht meine Absicht war. Das ist in etwa so, wie wenn man in einem Witz, der in einer Metzgerei spielt, von einer Fleischereifachverkäuferin spricht.

   Auch Arzthelferin hätte im vorliegenden Fall übrigens nicht weitergeholfen. Der Begriff wurde im Jahr 2006 gestrichen, offenbar weil der Gesetzgeber der Meinung war, dass nach einer dreijährigen Ausbildung nicht nur ein Helfer oder eine Helferin herauskommen kann. Helfende Menschen standen eigentlich für mich bisher immer hoch im Kurs.

   Die Medizinischen Fachangestellten meiner Hausärztin sehen die Sache relativ entspannt, finden dann aber doch, dass "der eigenständige Beruf als verantwortungsvolle Tätigkeit richtig bezeichnet werden müsste". Eine Zahnmedizinische Fachangestellte meines Zahnarzts erklärte mir, dass Helferin schon deshalb falsch sei, da sie ja nicht nur die Handlangerin ihres Chefs sei, sondern auch eigenständige Arbeit verrichte. Das kann ich bestätigen. Bei der professionellen Zahnreinigung ist der Chef nie zugegen. Das machen wir immer unter uns aus. Ich bin dann als Helfer gefragt, der das Maul aufreisst und dennoch die Klappe hält.

   Dass die Welt aus sprachlicher Sicht immer komplizierter wird, ist mir auch aufgefallen, als ich von einem Netz las, das auf die Abkürzung LSBTTIQ hört. L steht für lesbisch, S für schwul, B für bi, T für transexuell, das zweite T für Transgender, I für intersexuell und Q für queer. Ersparen Sie mir bitte, die einzelnen Begriffe zu erklären, wichtig ist, dass es sich um eine Gemeinschaft von Menschen handelt, deren sexuelle Ausrichtung, grob ausgesprochen, von der Norm abweicht. Ich fürchte, selbst der ausgefuchsteste Scrabble-Spieler könnte die Buchstaben nicht in eine aussprechbare Reihenfolge bringen. Wir kommen also um LSBTTIQ nicht herum.



   Der Begriff Sprechstundenhilfe wäre ethisch nur dann vertretbar, würde es sich um eine ungelernte Aushilfskraft handeln, die für eine Medizinische Fachangestellte eingesprungen wäre. Ich weiss aber nicht, ob es eine Glosse besser macht, wenn man auf diesen Umstand hinweist. Insofern bin ich zum Schluss gekommen, bis auf Weiteres auf Medizinische Fachkraft zu verzichten.

   Ich bin froh, dass ich Journalist bin. Der Begriff ist nicht geschützt. Journalist darf sich jeder schimpfen, selbst Typen, die es noch nicht geschnallt haben, dass die Sprechstundenhilfe längst Medizinische Fachangestellte heisst.
 

 

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