Diese Woche war in meinem
Supermarkt Milka-Schokolade im Angebot. Ich also mit dem Fahrrad
hin - und wieder mit vollem Korb wieder zurück. Plötzlich fällt
eine der gekauften Tafeln auf die Strasse. Ich bremse sofort,
um sie zu retten. Vom Gehweg aus versuche ich, die anderen Verkehrsteilnehmer
auf mein Problem aufmerksam zu machen. Das gelingt mir relativ
zügig, die Strasse ist nicht so stark befahren. Bevor ich die
Tafel aber aufheben kann, fährt ein Mercedes - dummdumm dummdumm
- mit Vorder- und Hinterreifen darüber.
Warum
ich das erzähle? Verdammt, ich will auch mal zu den Guten gehören,
mich oberflächlich empören über all die Ungerechtigkeiten und
Schandtaten auf dieser Welt. Und wenn das mit der Schokolade
keine Schandtat ist, dann weiss ich es nicht.

Lebensmittel
überfährt man nicht, selbst wenn sie günstig erstanden und nicht
fair gehandelt worden sind. Meine moralische Überlegenheit zeigt
sich im konkreten Beispiel auch beim Fortbewegungsmittel: Ich
ökologisch korrekt mit dem Fahrrad. Er (es war bestimmt ein
Er) im Mercedes mit verschwenderisch grossem Verbrennungsmotor,
bestimmt sogar ein alter Diesel, ich konnte es nicht sehen,
es ging zu schnell.
Ein rücksichtsloser
Typ wird es in jedem Fall gewesen sein, mutmasslich im Bankgewerbe
tätig, der seinen Frust über drohende Fahrverbote dadurch kompensiert,
dass er meine Schokolade überfährt, was auch unter dem Gesichtspunkt
des Tierschutzes negative Symbolkraft hat, denn bekanntlich
befindet sich auf der Tafel eine aufgemalte lila Kuh.
Gut,
hinter dem Mercedes kam noch ein Auto. Es hätte einen Auffahrunfall
geben können, wenn er gebremst hätte, vielleicht sogar mit Verletzten.
Aber so tief sollte man nicht einsteigen, wenn man sich empören
will. Ja, die Welt ist kompliziert, aber manchmal will man einfach
nur mal recht bekommen. Du kriegst kein Lob, wenn du alles hinterfragst.
Merkels Flüchtlingspolitik, überbordende Sozialausgaben, Entwicklungshilfe
- wenn du die Folgen dieser Heldentaten näher betrachtest, kannst
du fast überall die Sinnfrage stellen. Aber wer will das hören?

Die
meisten Leute vertiefen sich nicht in politische Probleme, warum
sollten sie auch? Sie haben andere Berufe und andere Sorgen.
Auch meine Kinder vertrauen auf das, was man üblicherweise so
gesagt bekommt. Dass man zum Beispiel für die armen Kinder in
Afrika spenden sollte, das haben sie in Kindergarten und Schule
eingetrichtert bekommen. Da will ich als Papa nicht kaltherzig
erscheinen, indem ich über die negativen Folgen von Entwicklungshilfe
aufkläre.
Nein, ich fahre jetzt in
Urlaub. Und ich will das mit einem guten Gefühl tun. Also aufgepasst,
liebe Hintermänner und Hinterfrauen, denn mir ist eine Tafel
Schokolade auf der Strasse nicht Wurst.
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