Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (29. Juli 2018)
 
Ich bremse auch für Schokolade
 

   Diese Woche war in meinem Supermarkt Milka-Schokolade im Angebot. Ich also mit dem Fahrrad hin - und wieder mit vollem Korb wieder zurück. Plötzlich fällt eine der gekauften Tafeln auf die Strasse. Ich bremse sofort, um sie zu retten. Vom Gehweg aus versuche ich, die anderen Verkehrsteilnehmer auf mein Problem aufmerksam zu machen. Das gelingt mir relativ zügig, die Strasse ist nicht so stark befahren. Bevor ich die Tafel aber aufheben kann, fährt ein Mercedes - dummdumm dummdumm - mit Vorder- und Hinterreifen darüber.

   Warum ich das erzähle? Verdammt, ich will auch mal zu den Guten gehören, mich oberflächlich empören über all die Ungerechtigkeiten und Schandtaten auf dieser Welt. Und wenn das mit der Schokolade keine Schandtat ist, dann weiss ich es nicht.



   Lebensmittel überfährt man nicht, selbst wenn sie günstig erstanden und nicht fair gehandelt worden sind. Meine moralische Überlegenheit zeigt sich im konkreten Beispiel auch beim Fortbewegungsmittel: Ich ökologisch korrekt mit dem Fahrrad. Er (es war bestimmt ein Er) im Mercedes mit verschwenderisch grossem Verbrennungsmotor, bestimmt sogar ein alter Diesel, ich konnte es nicht sehen, es ging zu schnell.

   Ein rücksichtsloser Typ wird es in jedem Fall gewesen sein, mutmasslich im Bankgewerbe tätig, der seinen Frust über drohende Fahrverbote dadurch kompensiert, dass er meine Schokolade überfährt, was auch unter dem Gesichtspunkt des Tierschutzes negative Symbolkraft hat, denn bekanntlich befindet sich auf der Tafel eine aufgemalte lila Kuh.

   Gut, hinter dem Mercedes kam noch ein Auto. Es hätte einen Auffahrunfall geben können, wenn er gebremst hätte, vielleicht sogar mit Verletzten. Aber so tief sollte man nicht einsteigen, wenn man sich empören will. Ja, die Welt ist kompliziert, aber manchmal will man einfach nur mal recht bekommen. Du kriegst kein Lob, wenn du alles hinterfragst. Merkels Flüchtlingspolitik, überbordende Sozialausgaben, Entwicklungshilfe - wenn du die Folgen dieser Heldentaten näher betrachtest, kannst du fast überall die Sinnfrage stellen. Aber wer will das hören?



   Die meisten Leute vertiefen sich nicht in politische Probleme, warum sollten sie auch? Sie haben andere Berufe und andere Sorgen. Auch meine Kinder vertrauen auf das, was man üblicherweise so gesagt bekommt. Dass man zum Beispiel für die armen Kinder in Afrika spenden sollte, das haben sie in Kindergarten und Schule eingetrichtert bekommen. Da will ich als Papa nicht kaltherzig erscheinen, indem ich über die negativen Folgen von Entwicklungshilfe aufkläre.

   Nein, ich fahre jetzt in Urlaub. Und ich will das mit einem guten Gefühl tun. Also aufgepasst, liebe Hintermänner und Hinterfrauen, denn mir ist eine Tafel Schokolade auf der Strasse nicht Wurst.
 

 

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