Der Fussball-Weltmeisterschaft
verdanke ich die Erkenntnis, dass meine 17-jährige Tochter mich
offenbar für ein höheres Wesen hält. Ein Wesen, das in Kontakt
mit dem Fussballgott steht.
Das könnte
daran liegen, dass ich vor dem Fernseher fast jeden Spieler,
den ich gut finde, zum Fussballgott erkläre. Wenn Marco Reus
eingewechselt wird, rufe ich zum Beispiel "Marco Reus,
Fussballgott!".

Da
hat sich meine Tochter wohl gedacht, dass ein Mann, der so viele
Fussballgötter kennt, der muss auch wissen, wie ein Fussballspiel
ausgeht. Und so hat sie mir, als wir gegen Schweden zur Pause
0:1 zurücklagen, eine wunderschöne Whatsapp-Nachricht geschickt
mit der Frage "Verlieren wir, Papa?" Süss!
Man
muss dazu wissen, dass sich meine Tochter nur alle vier Jahre
für Fussball interessiert - wenn eben WM ist. Dann schminkt
sie sich die Deutschlandfarben auf das Gesicht, zieht ein Nationaltrikot
an und geht zu irgendwelchen Freunden, um dort das Spiel gemeinsam
anzugucken. Ich glaube, es geht ihr vor allen um das Gemeinschaftserlebnis.
Das ist auch so eine Sache, die unsere blasierten Nationalspieler
nicht bedacht haben. Ihr Ausscheiden schon in der Vorrunde hat
nicht nur in der Bierbranche und bei Gastronomen für Frust gesorgt,
sondern eben auch bei jungen Leuten wie meiner Tochter. Die
war über das Ausscheiden viel enttäuschter als ich. Ich kann
mich beispielsweise auch für Mannschaften aus Afrika begeistern
und habe noch Zeiten erlebt, in denen die deutsche Mannschaft
noch ähnlich schlecht und erfolglos gekickt hat wie jetzt. Meine
Tochter eben nicht.
Diese jungen Leute,
die bislang nur die WM 2014 bewusst erlebt haben, konnten sich
garnicht vorstellen, dass Deutschland auch mal ein entscheidendes
Fussballspiel verlieren kann. Im Spiel gegen Südkorea allerdings
beschlichen meine Tochter offenbar dann doch noch ernste Zweifel.
Etwa 10 Minuten vor Ende der regulären Spielzeit schrieb sie
mir "Papa, gewinnen wir das noch?" Süss!

Im
Nachhinein hätte meine Tochter besser den Dackel "Seppi"
gefragt, der schon Tage vor dem Spiel den Sieg von Südkorea
prophezeite. Das behauptet zumindestens sein Herrchen, ein gewisser
Josef Küblbeck vom Deutschen Dackelmuseum in Passau. Seppi ist
ein Tierorakel, das in Sachen Fussball das Gras wachsen hört.
Und der gerade deswegen alles andere als ein Grasdackel ist.
Angeblich hatte er auch unseren Sieg gegen Schweden korrekt
vorhergesagt.
Was mich betrifft, so
schaue ich während eines Deutschlandspiels nicht auf mein Handy.
Die Fragen meiner Tochter habe ich daher erst nach Spielende
gesehen. Dies hat den Vorteil, dass ich keine falschen Antworten
geben konnte und so weiterhin als höheres Wesen durchgehe.
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