Bonjour, und entschuldigen
Sie meine legere Kleidung. Aber Sie wissen ja, Urlaub. Da lässt
man's gerne locker angehen. Gerade im Ausland, wo einen kein
Mensch kennt. In der Redaktion sitze ich stets im Zweireiher
an meinem Rechner, am Wochenende auch mal im Smoking. Nicht
der Kollegen wegen werfe ich mich in Schale. Sie sind der Grund.
Ich bin davon überzeugt, dass man aus Texten herauslesen kann,
ob der Autor ordentlich gekleidet war. Tom Wolfe schrieb im
weissen Dandy-Anzug in seiner New Yorker Wohnung: Seine Eleganz
sprach aus jedem seiner Sätze.

Aber
in den Ferien muss man eine Ausnahme machen dürfen. Ausserdem,
woher weiss ich, wie Sie gerade da sitzen? Womöglich sind Sie
ebenfalls im Urlaub oder laufen wie weiland Udo Jürgens im weissen
Bademantel durch die Gegend.
Kurze
Hosen sind ja an sich nichts Schlimmes, solange man die Beine
dazu besitzt. Mein in Stilfragen kompetenter Kollege Tomo hat
unlängst in einer seiner wunderbaren Kolumnen beschrieben, wie
ihm ein paar Mädels nachgepfiffen hatten. Muss zugeben, ich
habe dieses mit Neid zur Kenntnis genommen. So was ist mir seit
Jahrzehnten nicht mehr passiert, egal, ob ich in kurzen Hosen
oder gar einen Anzug trug. Ich wundere mich nur, dass man in
unserer auf Wellness und Service bedachten Welt keine weiblichen
Claqueure mieten kann. Sie verstehen, wie Klageweiber, nur jünger
und positiv. Also ich würde mir das was kosten lassen. Neulich
auf dem Rad, als ich zwei jungen Burschen ausgewichen bin, hörte
ich, wie der eine zum anderen sagte: "Hey, guckst du, Rennrad!"
Eigentlich nett, wenn man davon absieht, dass sie über den Fahrer
kein Wort verloren, diese kleinen Stinker.
Ich
melde mich übrigens gerade live aus Südfrankreich. Wie, was,
live geht nicht in der Zeitung? Natürlich geht das, Papier ist
geduldig. Im Grunde ist es auch wurscht, ob ich Ihnen live oder
zeitversetzt schreibe, ich komme seit Jahren hierher - und der
Erholungswert besteht darin, dass sich so gut wie nichts ändert.
Mal bläst der Mistral, mal nicht. Aber sonst. Im Rhone-Tal rotieren
die Windräder und strahlen die Reaktoren in der Sonne vor sich
hin. Alles wie gehabt.

Ist
eine tolle Gegend hier, gerade für Leute, die sich gerne auf
zwei Rädern bewegen. Im vergangenen Jahr, oder war es erst gestern,
radelte ich bei 37 Grad durch das Ardèche-Tal. Traumhafte Aussicht,
erstklassiger Asphalt, immer auf und runter. Ich muss auf meinem
Fahrrad eine erbärmliche Figur abgegeben haben, sogar Motorradfahrer
haben mich gegrüsst.
Ich liebe das
Land und die Leute. Mais qui, leider beschränkt sich meine Kommunikation
aufs Bestellen von Croissants und Rotwein. Frage mich Jahr für
Jahr, wie ernst die Franzosen es mit Europa meinen, wenn Sie
immer noch nicht die Sprache ihrer Feriengäste sprechen.
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