Ehrerbietung, Herzlichkeit
und Harmonie waren die Leitgestirne, die diese Woche sanft leuchtend
über dem Land standen. Grundiert wurde ihr stilles Tun vom beruhigendem
Rumpeln der Tunnelbohrmaschinen, die sich wie in den vergangenen
Jahren tief unter dem Bastelkeller des Normalbürgers durch den
Untergrund bissen. Sie bohren Tag und Nacht, von Ost nach West
und von rechts oben nach links unten. Fast täglich kommt es
zu Tunneldurchbrüchen, bei denen sich längst verschollen geglaubte
Regionalpolitiker und Prominente weinend in den Armen liegen.

Diese
Woche erreichte das Zusammenspiel von Technik und Weisheit einen
Höhepunkt. Pünktlich zum 70. Geburtstag des sogenannten Landesvaters
wurde der grösste Krötentunnel der Geschichte eingeweiht - Amphibien
aus aller Welt sollen darin das Land unterqueren, Familien gründen
und die Altersruhe geniessen, ohne von gedemütigten Diesel-Fahrern
in einen undefinierbaren Klumpen Biomasse verwandelt zu werden.
Die
amphibische Transversale ist ein Herzensprojekt des weisshaarigen
Patriarchen im Stuttgarter Staatsministerium. Als sich der Bohrstaub
legte, sah man einen glücklichen Menschen, der seinen Geburtstag
als lichtes Spiel aus nachhaltigem Small Talk, klimaneutralem
Alkoholkonsum und Fahrrad-Festreden inszenieren liess. Teilnehmer
berichteten, dass sich im Garten der Machtzentrale Bioziege
und Hohenloher Wanderschäfer Guten Tag und Gute Nacht sagten
und mancher Gast schmunzelte, als der Jubilar erzählte, ihm
sei im Traum Hannah Arendt begegnet, die auf einem vor dem Aussterben
bewahrten Einhorn sass. Dann ging er wieder an die Arbeit, die
Bohrer rumpelten, Eidechsen, Hühner und Spitzenbeamte verkrochen
sich wieder in ihr natürliches Habitat.

Doch
wer lange genug bohrt, befindet sich unversehens im dunklen
Gedächtnis der Nation. Nachdem auch die Diesel-Ermittler Tunnelbohrmaschinen
einsetzen, sind sie bis ins geheime Archiv der deutschen Autoindustrie
vorgedrungen. Dort stiess man diese Woche auf die Diesel-Tagesbücher
von Martin Winterkorn. Die Einträge belegen, dass der Konzern
bis zuletzt glaubte, den Krieg gegen die Umwelt noch zu gewinnen.
"Sonntag: Habe gerade den Zehnzylinder Kompressor von Horch
Probe gefahren. Sonnenfinsternis durch Dieselruss. Aber Bomben-Beschleunigung!
Montag: Zwei Staatsanwälte, die auf unser Werksgelände wollten
- abgeschossen. Mittwoch: Lackunregelmässigkeiten bei einem
1-Euro-Diesel. Bin von Verrätern umgeben. Habe einige von ihnen
an die TU Aachen überstellt. Wo sie sich beim Abgas-Inhalieren
berwähren müssen. Lage ernst - Umwelthilfe kontrolliert fast
ganz Deutschland. Wenn Daimler keine Ersatzarmee schickt - ..."
Demnächst mehr.
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