Dieses Licht! Gleissend
sägt es sich in die Gesichter der Menschen, enthüllt wintergebleichte
Haut, Unförmigkeit, falsches Lächeln und autoritäre Gesinnungen.
Frühsommerliche Hitze treibt ihr tolles Spiel mit dem Kreislauf
der Menschen, die wie Weidenbäume schwankend durch die Strassen
irrlichternd. Immerhin, man könnte sich ein Pistazieneis mit
Sahne kaufen und dann damit auf die bald kürzeren Tage warten.

Wenn
da nur nicht dieser verdammte Staub wäre. Schwebestaub, Feinstaub,
Grobstaub, Küchenstaub, Strassenstaub, Kinderzimmerstaub, Datenstaub.
Im perfiden Zusammenspiel mit der morgendlich schräg in die
Wohnungen grinsenden Sonne tanzt dieser allgegenwärtige Wohlstandsstaub
ein Ballet der Bösartigkeit und des schlechten Gewissens - eine
Choreografie jenseits aller hygienischen Grenzen. Aktuellen
Studien zufolge verschluckt der Mensch, wenn er im Schlaf von
einem neuen Auto, einem vollen Konto oder der Nachbarin träumt,
mit jedem Atenzug ein halbes Pfund Hausstaub - eventuell angereichert
mit einigen Hautflüglern. Trotz dieser Staubinhalation bleiben
noch genügend Wolken von Schwebeteilchen übrig, in denen Partner,
Steuererklärungen und gute Absichten verschwinden.
Doch
woher kommen diese enormen Staubwolken? Wo waren sie während
der kalten Jahreszeit? Wer hat sie geschickt und warum? Fragen,
die die Menscheit seit Jahrtausenden umtreibt. Dabei ist das
Phänomen Staub wissenschaftlich längst ergiebigst ausgeforscht.
Staub besteht aus organischem und anorganischem Material - also
aus allem. Da es von allem immer mehr gibt, wachsen auch die
Staubwolken. Wer alle zwei Jahre ein neues Smartphone kauft,
das alte rasch vergisst oder einen Joghurtbecher längere Zeit
neben dem Fernseher stehen lässt, erlebt die Erosion anorganischer
oder laktosefreier Substanz. Durch die anschliessende Aufwirbelung
beim Herumräumen tritt der mikrofeine Schmutz in unseren Alltag.
Beide Prozesse sind derzeit dominant. Es erodieren der gute
Geist, der Anstand und die Rücksichtnahme, während umgekehrt
jede zertretene Mücke zu einem gesellschaftsbedrohenden Elefanten
aufgewirbelt wird.

Leider
sind alle Versuche gescheitert, Staub wieder zu etwas Sinnvollerem
zurückzuformen - zu einem leckeren Essen etwa oder einer vollgültigen
Kreditkarte. Wir müssen lernen, mit dem Staub zu leben, ihn
zu akzeptieren, ja, ihn als mahnendes Symbol der Vergänglichkeit
in unserer von Hektik, Lust und Geltungsdrang getriebenes
Dasein aufzunehmen. Umso mehr, als neueste Studien vermuten,
dass es sich bei den Staubpartikeln um die Seelen von Verstorbenen
handelt, die aus Langeweile aufwirbeln und allen auf der Nase
herumzutanzen. Experten raten, ab mit ihnen in den Staubbeutel!
Danach kann man eine Zigarette rauchen und den Qualmpartikeln
im Gegenlicht hinterhersehen.
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