Der deutsche Aussenminister
ist eine Figur, die kaum noch irdische Züge trägt. Er kann Grenzen
öffnen, Hunderte von Sätzen aneinanderreihen, denen auch der
ärgste Feind keine Aussage entlockt und sich auf seinen zahlreichen
Auslandsflügen im Flugzeug selbst begegnen. Er ist der beliebeste
Mann im Staat - wenn er demissioniert, atmet das Land schwer
und fürchtet Instabilität, Seuchen und Teuerungen bei Brot und
Bier.

Er
trägt auch dan noch einen dreiteiligen Anzug, wenn in seinem
Sakko schon die Ameisen eines afrikanischen Krisenstaates krabbeln.
Seine Diplomatie ist so neutral wie sein Gesichtsausdruck. Falls
nötig, wirft er im Vorüberfliegen aus seinem Dienstflugzeug
Geld über einem Notstandsgebiet ab oder schickt eine Wasseraufbreitungsanlage.
Seine Entourage besteht aus Aktenkoffern, die fünf Sprachen
fliessend sprechen und weder in einem Flüchtlingscamp noch in
der vergoldeten Residenz eines afrikanischen Machthabers die
Contenance verlieren. Deutsche Aussenminister sind auch Jahrzehnte
nach ihrer Pensionierung gefragt. Sie sitzen in TV-Interviews
nachdenklich vor einer Bücherwand und entlassen Sätze wie "Wir
wussten längst, dass die Russen wirtschaftlich am Ende waren
..." oder "Ich rief damals meinen Freund, den US-Präsidenten,
an ..." oder "Damals hatten wir einen klaren aussenpolitischen
Kompass - wenn ich dagegen meine Nachfolger betrachte ..."
Kein
Wunder, dass sich deutsche Politiker danach sehnen, endlich
die entsetzliche Sphäre ihrer Ortsverbände, Parteitage und Parlamentsmarathons
in einem Airbus des Auswärtigen Amts zu entfliehen. Das erklärt
die stoische Verbissenheit des derzeitigen Amtsträgers, der
auch in dieser Woche allen Forderungen widerstand zurückzutreten
- umso mehr, als er den Status der Omnipräsenz erreicht hat.
Gerade noch bei einer Sicherheitskonferenz Versöhnung gepredigt,
half er tags darauf einer alten Frau über die Strasse, lud in
einer Krisenregion die Kontrahenten zu "konstruktiven und
offenen Gesprächen, die gleichwohl nicht den tiefen Graben zudecken
können, aber eine mittelfristige Lösung nicht unerreichbar erscheinen
lassen", an einen Tisch, brachte seine Tochter in die Kita,
moderierte, beschwichtigte, sparte nicht an deutlichen Worten,
verschleppte eine leichte Erkältung, besuchte Schulklassen,
baute Strassen, legte Sümpfe trocken, dämmte Epidemien ein und
schenkte seiner Frau Blumen.

Versuche
seiner Widersacher in der Partei, ihn aus dem Amt zu entfernen,
sind bisher gescheitert. Nun will man ihn mit den eigenen Waffen
schlagen: Seine Gegner planen, einen roten Teppich auszurollen,
der direkt zu einem SPD-Ortsverein führt, und dann rasch hinter
ihm einzurollen und die Tür zu schliessen. Kritiker wenden ein,
das verstosse gegen die Menschenrechte.
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