Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (07. Januar 2018)
 
Dem Brückentag auf den Zahn gefült
 

   Die Ruhe auf den Strassen und die gähnende Leere im Verkehrsfunk können nicht darüber hinwegtäuschen, dass unter deutschen Dächern gewerkelt wird, wie in Pyeongchang vor dem Anpfiff der Olympischen Winterspielen. Unsere besten Brückentagebauer loten in diesen Tagen aus, was sie aus dem eben angelaufenen Jahr für sich herausholen können.

   In kaum einer anderen Freizeitdisziplin tritt der Unterschied zwischen Stümpern und Profis so sehr zutage wie in der Kunst des Brückentagebauens. Über den Einsatz unerlaubter Aufputschmittel spricht in dieser Branche kein Mensch. Der Wettbewerb ist beinhart, Doping gehört zum Geschäft.



   Wer sich etwa über vier freie Tage am Stück freut, weil er rechtzeitig den Montag vor dem 1. Mai, einen Dienstag, als Urlaubstag eingereicht hat, für den haben die Könige des Fachs nur ein müdes Lächeln übrig. Den wahren Kennern gelingen Brückentagebauwerke von geradezu monströser Tragweite, daneben erscheinen die Golden Gate Bridge oder die Hängebrücke über den Grossen Belt wie die Projekte schlecht rasierter Hornbach-Heimwerker. Man weiss nicht, wie es diese Genies jedes Mal hin bekommen, aber drei bis vier Urlaubstage reichen den Cracks, und man sieht sie den ganzen Mai nicht im Büro.

   Schaut man im Pons-Wörterbuch nach, wie ein Engländer zum Brückentag sagt, stösst man auf eine ellenlange Erklärung - man bräuchte ein verlängertes Wochenende, um sie herunter zu beten. Dies legt den Verdacht nahe, dass der Brückentag eine ziemlich deutsche Erfindung sein muss - noch deutscher als die Sylvesterknallerei, ein Brauch, das hat uns ja dieser Jahreswechsel gelehrt, der noch aus dem Loch pfeift.

   Wer ein Verbot der Sylvesterknallerei verhindern möchte, sollte lautlose Böller erfinden. Einer Menschheit, die Bier ohne Alkohol konsumiert, müsste das ja möglich sein. Das Geschrei moralisch motovierter Knallkörper im Netz übertönte in diesem Jahr jeden Kanonenschlag. Feinstaubparanoiker bekäme man mit den Leiseknaller zwar nicht zum Schweigen, aber jene, die glauben, Hund oder Katze würden jedes Neujahr aufs Neue traumatisiert.



   Ich bin für Böller, aber gegen Brückentage. Dass ich mich der Brückentagebauerei verweigere, hat nichts damit zu tun, dass ich ohne Arbeit garnicht leben könnte. Mir graut es nur vor der Vorstellung, dass ich weg war und es niemanden aufgefallen sein könnte. Dieses zu Ende gedacht führt in letzter Konsequenz dazu, dass einer auf die Idee kommen könnte, man habe gar nicht gefehlt.

   Wussten Sie übrigens, dass das Wort Brückentag im Laufe der Jahrhunderte einen Bedeutungswandel erfahren hat? Früher war der Brückentag der höchste Feiertag der Zahnärzte. In diese Lücke ist nun die breite Masse gestossen.
 

 

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