In Berlin-Mitte sitzt ein
melancholischer Fünftagebart und starrt in seinen mit Zimtflocken
angereicherten Single Origin Espresso. Das Licht der Deckenlampen
vergrössern sein Profil ins Riesenhafte. Er könnte zufrieden
sein. Wochenlang hat der die Republik in Atem gehalten, hat
gepokert, geblufft und am Ende alles auf den Spieltisch geworfen.
Er hat vertrautes verächtlich gemacht, Konventionen zertrümmert
und Politik als Drama inszeniert. Mit seinem verchromten Tablet
wehrte er den Handkantenschlag von CSU-Generalsekretär Andreas
Scheuer ab, die Geschenke von Angela Merkel (darunter ein Emailletopf
mit handgerührter Kartoffelsuppe) liess er ungeöffnet zurückgehen,
aus der Umarmung Claudia Roths, die ihn zu ersticken drohte,
wand er sich in letzter Sekunde heraus.

Seitdem
ist der Dreitagebart das ikonografische Anlitz der Republik.
Millionen Fans laden sich Bärte aus dem Internet herunter, quetschen
sich in Ultra-Slim-Anzüge und bestellen mit schneidender Stimme
ein laktosefreies Müsli in der Cafébar. Er könnte mühelos 600
Selfies mit seinen Anhängern am Tage verbreiten, vollbärtige
Irgendwasgründer exegieren seine selbst geschriebene Biografie
("Fünf Tage, die die Welt erschütterten"). Sein Youtube-Kanal
wird milliardenfach aufgerufen - vor allen jenes Video, in dem
er weit ausholendes Schrittes Richtung Reichstag läuft, in sein
Smartphone tippt, worauf sich Risse in der Glaskuppel zeigen,
das Gebäude in den Grundfesten wankt und die Flaggen erschöpft
auf halbmast sinken.
Was hatte man
ihm alles versprochen, wenn er sein Werk der schöpferischen
Zerstörung stoppt! Einen nach ihm benannten Flughafen, einen
liberalen Katechismus für alle Gymnasialklassen, ein Schlankheitsministerium,
unter dessen sich das Land in eine digitale baltische Republik
verwandelt hätte. Privatisierung von Autobahnen, Geburtskliniken,
Zebrastreifen, Ampeln, Socken und Haustiere, Steuerbefreiung
für den letzten Drink in der Hotelbar, Glasfasern bis unters
letzte Kopfkissen, Einführung eines binären Einmaleins an Kitas,
eine Sektions-Start-up-Show im Staatsfernsehen. Er schlug alle
Angebote aus - das Land würde ihm auch so in den Schoss fallen.

Und
doch blieben Zweifel. Das Volk, jene wankelmütige rückwärtsgewandte
Masse von Lemmingen - wird sie seiner Vision folgen? Da draussen
gebe es, so berichteten seine Vertrauten, immer noch Menschen,
die lächelnd auf ihren Wohlstandsbauch blicken, sich auf schamlose
Weise vom Sozialstaat mästen lassen und sich mit ihren Partnern
in einer emotionellen Transferunion einhausen, statt Anreize
nach draussen zu geben. Der Fünftagebart blickt angewidert auf
seine makellosen Fingernägel. Nun gut, sollen sie doch sehen
... Zur Not bleibt immer noch der Hinterausgang. Dort, an der
Toilette vorbei, dann rechts.
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