Interviewtermin mit einer
jungen, recht bekannten Frau, nennen wir sie Manuela Mäusetaler.
Frau Mäusetaler soll in einer Buchhandlung einen Krimi signieren,
den sie garnicht selbst geschrieben hat. Böse Zungen, also Leute
wie jener Medienkritiker, der Mäusetaler bescheinigte, dass
sie "keinerlei Fähigkeit" besitzte, würden wohl behaupten,
dass das das Beste ist, was dem Buch passieren konnte, dass
Mäusetaler es nicht geschrieben hat. Immerhin inspirierte sie
die Autorin des Krimis zu der Hauptfigur, deshalb ziert sie
nun auch das Cover. Medienkritiker taugen als Musen nur bedingt.

Manuela
Mäusetaler hat sich als Model und Reality-Show-Darstellerin
einen Namen gemacht. Ihr Spezialgebiet besteht darin, mithilfe
der von Beratern eine Art Privatleben öffentlich zu inszenieren.
Mit ihrer Popularität verhält es sich wie mit dem Bekanntheitsgrad
von Schlagern. Auch wenn man sich nicht für sie interessiert,
man kommt nicht daran vorbei. Jeder scheint über Manuela Mäusetaler
mehr zu wissen als der Interviewer. Also schaut er sich Videos
auf Youtube an, sieht, wie Mäusetaler sympathisch-naiv, aber
keinesfalls dümmlich durch St. Moritz streift. Er zeiht sich
den Trailer eines TV-Krimis rein, den ein öffentlich-rechtlicher
Fernsehsender aus dem Südwesten mit Mäusetaler in der Hauptrolle
produzierte. Noch bervor der Film ausgestrahlt wurde, wird in
den asozialen Medien Gebührenverschwendung angeprangert. Ein
Schauspieler jammert, dass er keine Rollen bekomme, aber die
Mäusetaler schon, die nichts gelernt habe.
Das
stimmt so nicht. Zum einen ist sie staatlich anerkannte Kosmetikerin.
Zum anderen besitzt sie das, wovon mancher Mime gern mehr hätte:
Ausstrahlung vor der Kamera. Der TV-Krimi bekommt in den Feuilletons
ordentliche Noten, besonders Mäusetalers Auftritt wird gelobt.
Da auch die Quote in Ordnung war, fragt man sich, warum der
Sender den Krimi nicht fortgesetzt hat. Das macht künftig womöglich
ein Privatkanal. Der Verdacht drängt sich auf, dass der Krimi,
den Mäusetaler signiert und der ihr auf den Leib geschrieben
wurde, als Testballon dient.

Am
Tag des Gespräches rückt der Interviewer mit einem Packen Fragen
an (acuh zwei hintergründigen), vergisst sie aber sofort wieder,
als er die Menschenschlange vor der Buchhandlung sieht. Von
einem kurzen Vorgespräch vor dem Auftritt bleibt hängen, das
TV-erprobte Lächeln wirkt auch im wahren Leben.
Ein
bisschen Remmidemmi vor der Autogrammstunde. Wie geht's? Wie
steht's? Dann läuft die Medienmaschine mit grosser Freundlichkeit
und Präzision ab. Nur wer ein Buch kauft, bekommt auch ein Autogramm,
ein Selfie, ein paar warme Worte. Der Interviewer schleicht
sich. Als er nach zwei Stunden noch mal vorbei schaut, gibt
Manuela Mäusetaler immer noch Autogramme. Ihr Lächeln hat nichts
an Strahlkraft verloren.
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