Transparenz ist wichtig. Ob das ausgerechnet
für die Küche gelten muss, daran bestehen berechtige Zweifel.

1 Erschreckend humorlos Sorgsam
kultivierte Chauvinisten-Witze aus den späteren 70er Jahren
werden nie wieder funktionieren. Der hier zum Beispiel: "Mensch,
ich kann nicht sehen, wie du dich da in der Küche abrackerst.
Mach bitte die Tür zu." Ebenso wird es niemand auch nur
ansatzweise amüsant finden, wenn Sie in Richtung Küche rufen,
dass Sie "gerade leider überhaupt gar keine Zeit"
zu helfen hätten - während man Sie genau beobachten kann, wie
Sie Türme aus Kartoffelchips und Salzstangen errichten und ihr
Team anfeuern.
2 Unnötige Transparenz Der
Mitternachtssnack wird nicht länger Ihr pikantes Geheimnis bleiben.
Früher war es ein leichtes, durch geschickte Ablenkungsmanöver
heimliche Fressattacken zu verschleiern. Dem Partner einen Apfel
aus der Küche holen und dabei heimlich und rasend schnell ein
daumendick belegtes Käsebrot oder 650 Gramm Schokolade zu verdrücken
- diese Zeiten wären endgültig vorbei. Man wird Sie sehen und
hören können. Es sei denn, Sie sind ein geräuschsneutraler und
unsichtbarer Ninja. Dann könnten Sie aber auch gleich die Vorräte
des Nachbars dezimieren.
3 Es riecht Kenner
wissen, des einen Geruch ist des anderen Gestank. Völlig unerheblich,
wie gut Sie kochen, irgend etwas riecht immer. Mal Knoblauch
oder mal Zwiebeln, mal Angebranntes in der Pfanne. Da helfen
auch technische Errungenschaften wie die Dunstabzugshaube nicht
weiter. Zudem die in voller Fahrt auch jegliche Konservation
mit Partner, Familie oder Haustier erschwert. Spätestens wenn
sich die Couchdecke und verbrannte Pizza nicht mehr am Geruch
unterscheiden lassen oder Sie das Fernsehgerät aufgrund von
Rauchentwicklung nicht mehr orten können, wird das Problem grösser
als unbedingt nötig. Andererseits, wer richtig miserabel kocht,
kann zumindestens von der Couch aus der Feuerwehr bei der Arbeit
zuschauen.

4 Schon wieder aufräumen Von
(nicht nur) männlichen Fachkräften geprüft und für gut befunden:
Eine Art, die Küche aufzuräumen, war seit jeher, sie einfach
zu verlassen. Türe schliessen und fertig. Kochen ist heutzutage
schliesslich schon genug der Arbeit. Niemand sollte gleichzeitig
als visionärer Küchenchef und Putzteufel brillieren müssen.
Eine offene Küche wird Ihnen schlagartig ins Bewusstsein rufen,
dass früher doch einiges besser war.
5 Geheimnisse Die
Zeiten, in denen lediglich gekocht wurde, sind längst vorbei.
Heute wird in der Küche komponiert, kreativ gestaltet oder gearbeitet.
Echte Genies und Chefs de Cuisine lassen sich dabei nur ungern
in die Karten schauen - beziehungsweise würden sie, ähnlich
wie Magier und Illusionisten, niemals ihre Geheimnisse derart
offen zur Schau stellen. Zum Beispiel den schnöden Glutamat-Würzer
oder das putzige Verpackungsmaterial vom Sushi-Bringdienst.

6 Kurze Wege Es
waren immer auf reiner Vernunft basierende Gründe, sich eben
den Kühlschrank nicht neben der Couch zu installieren. Eine
offene Küche schafft fahrlässig kurze Wege, mal kurz die Snackvorräte
zu überprüfen oder die Werbepause durch einen geschwind zubereitetes
Drei-Gänge-Menü zu überbrücken. Es ist rational betrachtet der
letzte Schritt, bevor der Kühlschrank darin eben doch neben
das Sofa wandert. Ausserdem, Cineasten wissen, dass die psychopatischen
Massenmörder in Hollywood-Filmen meist mit dem Messer oder anderen
spitzen Gegenständen aus der Küche arbeiten, um Sie im Wohnzimmer
zu erstechen. Das muss man denen nicht auch noch erleichtern.
Auch wenn Sie bei den romantischen Filmen immer gedacht haben,
"Sehr sehr schön, die Küche". Apropos, bei streitenden
Paaren fallen durch das räumlich offene Arrangement wertvolle
Rückzugsmöglichkeiten weg. Anderenseits, es muss auch nicht
mehr so laut gebrüllt werden.
7 Frustpotential Schon
wieder die elektronischen Geräte verwechselt und versucht, die
Tiefkühl-Pizza in den DVD-Player zu rammen oder fluchend mit
der Fernbedienung vor dem Backofen gesessen? Gerade für Singles
mit Hang zu abendlichen Zwölftbier birgt die offene Küche unnötig
hohes Frustpotential.
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