Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (13. August 2017)
 
Die Kanzlerin schaukelt
 

   Der Wahlkampf schickt bereits seine Vorboten durch das Land. In den Gaststätten krachen Fäuste auf die Tische, der Wind treibt zerzauste Plakate und abgenutzte Parolen durch die Fussgängerzonen, Verräter und Hofschranzen zeigen ihre fahlen Gesichter, Intrigen werden gesponnen, Parteifreunde umarmt und dann kaltgestellt. Nur die Kanzlerin sitzt unbeeindruckt von alldem in einem Sessellift und blickt schaukelnd auf die Niederungen der Politik. Sie fährt bergauf und bergab, bis es dämmert, bis die Alpengipfel glühen wie die Brennkammern eines Sechszylinder-Dieselmotors, bis Kuhglocken läuten und der Abendnebel das macht, was er immer macht: Nämlich ahnungsvoll aufzusteigen.



   Als in dieser Woche all diese Rituale der alpinen Romantik zu ihrem Ende kamen, war längst auch der Autogipfel in Berlin wieder ausgeglüht. Die Atmosphäre wurde von Teilnehmern als kameradschaftlich und zwangslos beschrieben. Der Chef eines Autokonzerns war bekleidet mit Jeans und seinem Schlafanzug-Oberteil, das gegen einen Anzug auszutauschen ihm zu lästig war. Ein anderer Unternehmenslenker brauste mit einem Sportwagen dreimal um das Ministerium, drohet feixend, einige Politiker von seiner Gehaltsliste zu streichen und verbog aus Jux die Brille des Verkehrsministers. Schliesslich warf er ein paar Schaltkreise auf den Tisch - das bereits zum Mythos gewordene Software-Update - programmiert von einem 16-jährigen Praktikanten in der Mittagspause.

   Die Politik kostete diesen Triumph voll aus. Man habe alle Ziele erreicht, hiess es, während man das Blut aus der Nase wischte. Natürlich stosse alles an Grenzen ... "man kann ja nicht jedes Auto mit einem Reisen-Katalysator ... bräuchte man ja 'nen Anhänger ... hehehe". Aber das Abgasproblem sei jetzt gelöst. Und tatsächlich: Erste Messungen von Eyperten des Bundesverkehramts mit einem angefeuchhteten Zeigefinger vergaben bereits dramatische Luftverbesserungen.



   Damit kann die Politik endlich das Berliner Terrain räumen und den Urlaub antreten. Grünen-Politiker geniessen das toskanische Zweitaktgeknatter, das sie zu Hause als Umweltgift geisseln, Sozialdemokraten lauschen dem Wellenspiel der Ostsee und bauen sich das unerreichbare Kanzleramt aus Sand nach, Konserative kommen beim Wandern Kühen und dem lieben Gott nahe und Liberale lassen sich im Silicon Valley zeigen, wie man eine Krawatte unter dem Kapuzenpulli trägt. Die Linken liegen nackt im Gras, was zu Nahtoderfahrungen bei Kleinnagern und Weichtieren führt, und die Rechtspartei zeigt sich erleichtert, dass der Führer Wolfsburg nicht umsonst gegründet hat.

   Die Kanzlerin aber blickt milde lächelnd aus dem Sessellift. Ob sie vor der Wahl noch einmal aussteigt, ist offen.

 

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