Der Wahlkampf schickt bereits
seine Vorboten durch das Land. In den Gaststätten krachen Fäuste
auf die Tische, der Wind treibt zerzauste Plakate und abgenutzte
Parolen durch die Fussgängerzonen, Verräter und Hofschranzen
zeigen ihre fahlen Gesichter, Intrigen werden gesponnen, Parteifreunde
umarmt und dann kaltgestellt. Nur die Kanzlerin sitzt unbeeindruckt
von alldem in einem Sessellift und blickt schaukelnd auf die
Niederungen der Politik. Sie fährt bergauf und bergab, bis es
dämmert, bis die Alpengipfel glühen wie die Brennkammern eines
Sechszylinder-Dieselmotors, bis Kuhglocken läuten und der Abendnebel
das macht, was er immer macht: Nämlich ahnungsvoll aufzusteigen.

Als
in dieser Woche all diese Rituale der alpinen Romantik zu ihrem
Ende kamen, war längst auch der Autogipfel in Berlin wieder
ausgeglüht. Die Atmosphäre wurde von Teilnehmern als kameradschaftlich
und zwangslos beschrieben. Der Chef eines Autokonzerns war bekleidet
mit Jeans und seinem Schlafanzug-Oberteil, das gegen einen Anzug
auszutauschen ihm zu lästig war. Ein anderer Unternehmenslenker
brauste mit einem Sportwagen dreimal um das Ministerium, drohet
feixend, einige Politiker von seiner Gehaltsliste zu streichen
und verbog aus Jux die Brille des Verkehrsministers. Schliesslich
warf er ein paar Schaltkreise auf den Tisch - das bereits zum
Mythos gewordene Software-Update - programmiert von einem 16-jährigen
Praktikanten in der Mittagspause.
Die
Politik kostete diesen Triumph voll aus. Man habe alle Ziele
erreicht, hiess es, während man das Blut aus der Nase wischte.
Natürlich stosse alles an Grenzen ... "man kann ja nicht
jedes Auto mit einem Reisen-Katalysator ... bräuchte man ja
'nen Anhänger ... hehehe". Aber das Abgasproblem sei jetzt
gelöst. Und tatsächlich: Erste Messungen von Eyperten des Bundesverkehramts
mit einem angefeuchhteten Zeigefinger vergaben bereits dramatische
Luftverbesserungen.

Damit
kann die Politik endlich das Berliner Terrain räumen und den
Urlaub antreten. Grünen-Politiker geniessen das toskanische
Zweitaktgeknatter, das sie zu Hause als Umweltgift geisseln,
Sozialdemokraten lauschen dem Wellenspiel der Ostsee und bauen
sich das unerreichbare Kanzleramt aus Sand nach, Konserative
kommen beim Wandern Kühen und dem lieben Gott nahe und Liberale
lassen sich im Silicon Valley zeigen, wie man eine Krawatte
unter dem Kapuzenpulli trägt. Die Linken liegen nackt im Gras,
was zu Nahtoderfahrungen bei Kleinnagern und Weichtieren führt,
und die Rechtspartei zeigt sich erleichtert, dass der Führer
Wolfsburg nicht umsonst gegründet hat.
Die
Kanzlerin aber blickt milde lächelnd aus dem Sessellift. Ob
sie vor der Wahl noch einmal aussteigt, ist offen.
|