Anfang der Woche ging ein
Aufatmen durch das Land. Wohlstand, Freiheit und die ganze bürgerliche
Lebenskultur erhoben sich aus Trümmern und schüttelten den Staub
von den Doppelgaragen und Zierhecken. Zuvor hatte nach heftigen
Kämpfen eine Polizei- und Militärallianz die dreitägige Terrorherrschaft
der Autonomen in Hamburg beendet.

Das
Kalifat des Linksterrorismus sei nunmehr eine Momentaufnahme
der Geschichte, triumphierte der Bürgermeister bei einem aus
Sicherheitsgründen nicht angemeldeten Besuch in der Kampfzone.
Er sei überzeugt, dass die Bewohner die erbitterten Kämpfe gar
nicht bemerkt hätten, wären sie nicht zufällig für einen Aperol
Spritz auf dem Balkon herumgestanden. Die Bevölkerung rund um
das Schanzenviertel, die anfangs die Milizen des Linksradikalismus
auf ihren Toyota-Geländewagen begeistert begrüsst hatte, bejubelte
jetzt die anrückenden Polizeiverbände und stopfte alle schwarzen
T-Shirts rasch in die Restmülltonne. Unverträglich sei die Herrschaft
der Autonomen gewesen, berichteten Anwohner. Die neuen Herrscher
hätten sich geweigert, im Supermarkt Schlange zu stehen, hätten
Zivilisten aus den Häusern gezerrt und gezwungen, Solidaritätsbier
mit ihnen zu trinken. Schulkinder mussten schwarze Masken tragen
und die 93 Thesen des Kapitalismus auswendig lernen.
Nachdem
die letzten Widerstandsnester geräumt wurden, stellte sich allerdings
die Frage, ob Hamburg wieder aufgebaut werden soll. Natürlich
sei die Hansestadt ein recht angenehmer Ort gewesen, hiess es,
anderenseits aber auch ein wenig aus der Form geraten. Die Innenstadt
genüge in keiner Weise den Anforderungen moderner Stadtplanung,
den Brandschutz habe man jahrelang vernachlässigt. Pläne eines
internationalen Architektenteams schlagen deshalb eine Mischbebauung
mit gehobenen Hotels, grosszügigen Stadtvillen und veganen Kitas
rund um die Elbphilharmonie vor. Die Kosten lägen im niedrigen
Milliardenbereich - damit wäre der Neubau deutlich billiger
als ein Erhalt der erhalten gebliebenen Stadtreste oder gar
eine Restaurierung nach dem Vorbild des Berliner Stadtschlosses.

Das
neue Hamburg werde leicht zu reinigen sein und besser als der
bauliche Wildwuchs der alten Hansestadt gegen Angriffe politischer
Extremisten verteidigt werden können. Damit sei New Hamburg
prädestiniert für Grossereignisse wie die Olympischen Spiele,
das Jahrestreffen der deutschen Versicherungs-Aussendienstler,
die Meisterfeier des FC Bayern München oder die gemeinsamen
Abitur-Ausschreitungen aller weiterführenden Schulen des Bundesgebiets.
Nach Meinung von Experten können in solche Veranstaltungen auch
die Reste der linksradikalen Szene eingebunden werden, ohne
dass es auffällt.
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