Dieser Text ist all jenen
gewidmet, die meinen, man müsste unserem schönen Land den Rücken
kehren, wenn man was erleben will. Gut, wenn im tropischen All-Inclusive-Paradies
nachts die Klimaanlage klappert und tropft, ist das natürlich
aufregend. Höchstens eine Autofahrt an Pfingstsamstag über die
Alpen zum Gardasee kann das toppen. Aber dennoch muss die Frage
erlaubt sein, ob man wirklich den Globus halb umrunden oder
auf die Autobahn muss, um Blut und Wasser schwitzen zu können?
Wir
meinen: Nein! Ein Abenteurer von Format, der zudem Wert auf
seinen ökologischen Fussabdruck legt, bleibt daheim und fährt
S-Bahn. Oder noch besser Schienenersatzverkehr. Der Weg von
der Bahn zum Bus ist dürftig ausgeschildert, aber man ist alt
genug, um zu wissen, wann es klug und politisch korrekt ist,
der Masse zu folgen.

Der
Chauffeur des Busses schaut viel versprechend aus. Er trägt
Sonnenbrille, Vollbart und die vorschriftsmässig hingehaltene
Fahrkarte interessiert ihn nicht. Der Typ geht als Seebär durch.
Oder als Käpt'n einer Fähre am Lago Maggiore.
Mister
Sonnenbrille wirkt cool, hat aber ein grosses Herz, sonst hätte
er die lächelnde Asiatin, die mit Stöpseln im Ohr und ohne links
und rechts zu blicken über den Bahnhofplatz tippelte, umnieten
können. Und er legt, wenn er sich mit dem Gelenkbus durch eine
Wohngegend schlängelt, ein Augenmass an den Tag, dass man sich
fragt, warum man ihn nie bei "Wetten dass ...?" sah.
Für
Sie ist eine Fahrt mit der Wilden Maus das Höchste der Gefühle?
Dann sind Sie noch nie mit einem Schienenersatzverkehrgelenkbus
durch einen Kreisverkehr gerauscht. Einen freien Sitzplatz gibt
es keinen, aber wer will auf hoher See sitzen? Der Stehplatz
auf dem Gelenk zwischen Vorder- und Hinterwagen erscheint der
vielversprechendste - und ist der einzig freie. Erschwerend
kommt hinzu, dass man sich nur mit einer Hand festhalten kann,
weil man in der anderen eine Tüte mit Mohrenköpfe transportiert.
Auf dem Platz nebenan zwei junge Frauen. Sie schlafen, vielleicht
sind sie auch ohnmächtig. Daneben lehnt ein junger Typ am Gestühl,
der trotz des Geschaukels auf seinem Smartphone Monster abschiesst.
Deutschland sucht den Super-Daddler! Hier steht er.

Zwischen
den Käffern die Landstrasse. Die Reifen singen ein Lied, wie
man es seit Beckenbauers "Gute Freunde kann niemand trennen"
nicht mehr vernommen hat. Nach einer Dreiviertelstunde ist die
Fahrt zu Ende. Das Hemd ist durchgeschwitzt, Oberkörper und
Arme schmerzen, aber dort, wo zuvor noch ein Ranzen war, ist
nun ein reinster Waschbrett. Zumindestens fühlt es sich so an.
Man
überlegt, ob der Fahrer nicht wie einst die Piloten von Ferienfliegern
nach der Landung Applaus verdient hätte. Aber die anderen steigen
einfach nur aus.
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