"Entschuldigung, ihr
Langnese-Flutschfinger steckt in meiner Nase." - "Junger
Mann, Sie wissen schon, dass ein Badetuch einen Mindestabstand
von zehn Zentimetern vom Nachbarhandtuch haben muss. Ihres ist
viel zu nah!" - "Wo ist meine Curry mit Fritten?"
- "Oh, die hat gerade der Junge im Kinderbecken zu Wasser
gelassen. Jetzt tunkt er sie unter Wasser. Drollig, nicht?"

Mit
diesen typischen Satzfragmenten springen wir kopfüber in das
sommerliche Epizentrum unserer Gesellschaft, dem Freibad. In
dieser hemmungsbefreiten Zone liegen fehlernährte Teenager wie
teigige Mittelgebirge auf den von Zigarettenstummeln übersäten
Wiesen. Brünstige Athleten tänzeln am Beckenrand. Mädchen, deren
Stringtangas problemlos durch ein Stück Zahnseide zu ersetzen
wäre, räkeln und seufzen, kreischen und jonglieren mit Eisbechern
und Smartphones, den unerlässlichen Ordnungsinstrumenten der
Freitzeitzeremonie. Frühmorgens ziehen Senioren mit der Unerbittlichkeit
eines U-Boot-Geschwaders auf Feindfahrt ihre Bahnen, ehe sie
die Flucht vor der Offensive der Belustigungsarmee ergreifen.
Studien
zufolge sind deutsche Freibäder die modernsten und schlagkräftigsten
weltweit. Nach dem Krieg wurden sie geplant, ausgehoben und
geflutet. Sprungtürme und Rutschen wuchsen in die Höhe wie die
Weihestätten eines mysteriösen Totenkults. Ein deutsches Freibad
ist heute in der Lage, täglich tausende Liter austretender Körperflüssigkeiten,
dazu Bier, Ketchup und Sonnenöl aufzubereiten und dem Badezyklus
wieder zuzuführen. So hat der hungrige Besucher ein Schaschlik
auf dem Pappteller, das noch den Beigeschmack des Sonnenöls
jener jungen Frau mit sich trägt, die eine Stunde zuvor neben
ihm im Wasser war.

Die
Politik hat die Bedeutung des Freibads natürlich längst erkannt.
Der Spitzenkandidat der SPD, bisher eher glücklos, plant dort
seine Gerechtigkeitstournee. Die Choreografie sieht vor, dass
alle Besucher exakt bis zum Hals im Wasser stehen. Mit sozialistischer
Gleichmacherei habe das alles nichts zu tun, heisst es. Die
Union lädt Rentner zur Wassergymnastik ein und verteilt kostenlose
Stabilitäts-Badehosen. Die Grünen wollen die Bäder mit Krötentümpeln
und Solarzellen ausstatten und die AfD präsentiert Pläne für
eine Badeordnung, die jedem Migranten vor Betreten der Anlage
zwingt, 50-mal den Satz "Ich darf nicht vom Seitenrand
ins Becken springen" zu schreiben.
Niemand
will mehr am Beckenrand der Gesellschaft stehen. Mindestens
bis zu jenem Moment, wo der erste kühle Luftzug über die Walstatt
zieht, die Sonne frühabends die Müllberge in goldenes Licht
taucht und das Freibad zum Ort melancholischer Weltvergessenheit
wird - vergleichbar mit einem albanischen Autobahnkreuz in der
Morgenröte. Bis dahin müssen wir noch durchhalten.
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