Das Kolumnistendasein ist
eine feine Sache, aber vielleicht sollte man es im nächsten
Leben mal mit der Reiseschriftstellerei versuchen. Als Kolumnist
lebt man doch oft von Informationen aus zweiter Hand, etwa von
einer Nachricht wie dieser, dass in Bayern Frauen der evangelisch-lutherischen
Kirche ihre Geschlechtsgenossinen mit Sprüchen auf Bierdeckeln
zum Wählen animieren wollen. Zu Bierdeckeln und Frauen kann
man sich als Mann immer was aus den Rippen schnitzen. Aber bringt
uns das die Welt näher?

Da
ist die Reiseschriftstellerei aus anderem Holz geschnitzt. Nur
mal angenommen, man will von Stuttgart nach Irgendwohin fliegen,
erfährt aber zwei Tage nach der Online-Buchung, dass der Flieger
nicht fliegt. Spritgeld nicht zusammen bekommen? Pilot hat Migräne?
Man weiss es nicht. Also kauft man sich ein Bahnticket nach
Frankfurt, um dort an besagten Tag nach Irgendwohin zu fliegen.
In Frankfurt angekommen wartet man darauf, dass den Bus einen
zum Terminal bringt. Die Wartezeit wird durch eine Frauenstimme
versüsst, die unablässig aus einem Lautsprecher säuselt: "Danke,
dass Sie Frankfurt-Flughafen gewählt haben." Zur Sicherheit
sagt sie's auch noch auf Englisch. Ich meine, dass ist doch
Provokation! Die meint doch nur mich. Ich lasse mir nichts anmerken,
helfe einer älteren Dame mit dem Koffer.
Szenenwechsel:
Flughafentoilette. Nein, es geht mir nicht darum, dass sie in
den Tiefen der Urinale kleine Kerzen gedruckt haben, wohl um
uns zu mehr Treffsicherheit zu ermuntern. Das ist nicht mein
Thema. Mir geht es um den Kasten mit drei Knöpfen (Lachmund,
neutrales Gesicht, Fratze mit hängenden Mundwinkeln) am Ausgang
des Klos. "Ihre Meinung ist uns sehr wichtig", steht
da. Nun soll man mittels Tastendruck mitteilen, ob man mit dem
Zustand der Toilette zufrieden war. Eine klasse Erfindung, die
zeigt, dass Bürgerbeteiligung im Kleinen anfängt. Gedrückt habe
ich dennoch nicht. Die Vorstellung, dass es vor mir einer mit
ungewaschenen Fingern getan hat, war mir doch unangenehm.

Frühstück
vor dem Abflug. Die Speisekarte ist auf Englisch. Um die deutschen
Entsprechungen entziffern zu können, muss ich meine Brille aufsetzen.
Ich verstehe mich als Weltbürger, aber in Frankfurt bestelle
ich "Rührei mit Speck und Bergkäse". Was ich bekomme,
sind blonde Brötchen mit Käse- und Schinkenscheiben. Ich überlege,
ob ich mich beschweren soll, aber dann sehe ich, dass der Kellner
ein Hörgerät trägt. Ich schweige, esse und gebe ein Trinkgeld.
Unglaublich,
was man als Reisender alles erzählen kann. Dabei hatte der Flieger
noch nicht einmal abgehoben! Bei der Ankunft in meinem Reiseland
dann die Erkenntnis, dass man auch dort auf dem Flughafenklo
Wert auf meine Meinung legt.
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