Die Strassen von Gelsenkirchen
und Duisburg schimmerten in der zögernden Frühlingssonne. Penny-Konserven
und Ein-Euro-Unterwäsche tanzten mit breitbereiften Opels, Bierschaum
sackt in den Gläsern der Kneipen langsam ins Bodenlose. Draussen
hängen noch die Wahlplakate, vom Russ der Missachtung zu Karrikaturen
verzerrt. Die Landesmutter muss ins Müttergenesungswerk, ihr
Innenminister räumt in seinem Büro zahllose Ordner - stumme
Zeugen der Inkompetenz - in die Umzugskartons. Zwischen Rhein
und Ruhr haben jetzt andere das Sagen. Der schlanke Leistungsasket
mit Sechstagebart und sein pausbäckiger Sancho Pansa - ein Mensch
von umarmenden Wesen, dem man, wäre er Zahnarzt, ohne Bedenken
die kieferorthopädische Behandlung der eigenen Kinder in die
Hände legen würde.

Nordrhein-Westfalen
hat sich für den Wandel entschieden - in der Gewissheit, dass
die Regierung nicht bohren oder die Wurzeln der sozialen Sicherheit
extrahieren wird. Ganz anders die Franzosen, denen beängstigend
makelloser neuer Präsident kurz nach seiner hochbeinigen Ehefrau
in den Élysée-Palast stürmte und ein Goldbad in seinem neuen
Büro nahm. Ein erstes Treffen mit der deutschen Regierung verlief
offenbar zufriedenstellend. Man gestattete dem demütigen Franzosen,
die eine oder andere Zwischenbemerkung oder ein geschwindes
"alors ...", ein "toutefois", "vraiment!"
oder "je suis tout d'accord" in die Belehrungen einzustreuen.
Frankreich geht also einer lichten Zukunft entgegen, wenn es
die Ratschläge aus Berlin penibel befolgt. Ob die allfälligen
Aufstände und Barrikaden der stets aufsässigen französischen
Gewerkschaften mithilfe einer deutschen Panzerdivision niederkartätscht
werden, soll bei bilateralen Konsultationen festgelegt werden.

Deutschland
wird also seiner Verantwortung gerecht. Wir schicken beim geringsten
Anzeichen einer Krise, Immobilienblase, eines Bankenskandal
oder gross angelegten Hackerangriffs unsere Aufklärungstornados,
eine militärische Metapher für weise Zurückhaltung und das Prinzip,
die Dinge engagiert aus sicherer Entfernung zu beobachten. Genauso
verlässlich stellen wir den schlechtesten Teilnehmer oder fast
schlechtesten Teilnehmer beim Eurovision Song Contest. Gerüchten
zufolge sucht der Finanzminister die Kandidaten für Deutschland
persönlich aus.
Alles gut also? In
Mönchengladbach oder Köln-Porz schimmert dieser Tage in "Mannis
Eckkneipe" dämmrig-verloren die Glatze des Buchhändlers
aus Würselen. Er legt seine schweren Hände auf den Tresen, bestellt
mit kreiselnden Bewegungen eine neue Runde Rote-Bete-Saft und
blinzelt ins Freie, wo sich die Sonne langsam verkriecht. Die
Zukunft, einst verheissungsvoll, ist halb leer und ausgebrannt.
Sollen andere doch ...
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