Dinge, so oder so

 

Die Dinge der Woche (21. Mai 2017)
 
Tout à fait verkriecht sich die Sonne
 

    Die Strassen von Gelsenkirchen und Duisburg schimmerten in der zögernden Frühlingssonne. Penny-Konserven und Ein-Euro-Unterwäsche tanzten mit breitbereiften Opels, Bierschaum sackt in den Gläsern der Kneipen langsam ins Bodenlose. Draussen hängen noch die Wahlplakate, vom Russ der Missachtung zu Karrikaturen verzerrt. Die Landesmutter muss ins Müttergenesungswerk, ihr Innenminister räumt in seinem Büro zahllose Ordner - stumme Zeugen der Inkompetenz - in die Umzugskartons. Zwischen Rhein und Ruhr haben jetzt andere das Sagen. Der schlanke Leistungsasket mit Sechstagebart und sein pausbäckiger Sancho Pansa - ein Mensch von umarmenden Wesen, dem man, wäre er Zahnarzt, ohne Bedenken die kieferorthopädische Behandlung der eigenen Kinder in die Hände legen würde.



   Nordrhein-Westfalen hat sich für den Wandel entschieden - in der Gewissheit, dass die Regierung nicht bohren oder die Wurzeln der sozialen Sicherheit extrahieren wird. Ganz anders die Franzosen, denen beängstigend makelloser neuer Präsident kurz nach seiner hochbeinigen Ehefrau in den Élysée-Palast stürmte und ein Goldbad in seinem neuen Büro nahm. Ein erstes Treffen mit der deutschen Regierung verlief offenbar zufriedenstellend. Man gestattete dem demütigen Franzosen, die eine oder andere Zwischenbemerkung oder ein geschwindes "alors ...", ein "toutefois", "vraiment!" oder "je suis tout d'accord" in die Belehrungen einzustreuen. Frankreich geht also einer lichten Zukunft entgegen, wenn es die Ratschläge aus Berlin penibel befolgt. Ob die allfälligen Aufstände und Barrikaden der stets aufsässigen französischen Gewerkschaften mithilfe einer deutschen Panzerdivision niederkartätscht werden, soll bei bilateralen Konsultationen festgelegt werden.



   Deutschland wird also seiner Verantwortung gerecht. Wir schicken beim geringsten Anzeichen einer Krise, Immobilienblase, eines Bankenskandal oder gross angelegten Hackerangriffs unsere Aufklärungstornados, eine militärische Metapher für weise Zurückhaltung und das Prinzip, die Dinge engagiert aus sicherer Entfernung zu beobachten. Genauso verlässlich stellen wir den schlechtesten Teilnehmer oder fast schlechtesten Teilnehmer beim Eurovision Song Contest. Gerüchten zufolge sucht der Finanzminister die Kandidaten für Deutschland persönlich aus.

   Alles gut also? In Mönchengladbach oder Köln-Porz schimmert dieser Tage in "Mannis Eckkneipe" dämmrig-verloren die Glatze des Buchhändlers aus Würselen. Er legt seine schweren Hände auf den Tresen, bestellt mit kreiselnden Bewegungen eine neue Runde Rote-Bete-Saft und blinzelt ins Freie, wo sich die Sonne langsam verkriecht. Die Zukunft, einst verheissungsvoll, ist halb leer und ausgebrannt. Sollen andere doch ...

 

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